Sorry
denken? Ihr seid wie zwei Angeber, die mit den Armen wedeln und dabei nichts zu sagen haben. Frauke hatte recht, ihr habt nichts im Griff. Denkt doch mal nach. Jeder kann sich innerhalb von Minuten eine Mail-Adresse zulegen und sie wieder verschwinden lassen. Noch einfacher ist es, sich ein Prepaid-Handy zu besorgen.
Die Brüder sehen sie an.
– Mit den zwei Angebern könntest du einen Punkt haben, sagt Wolf.
– Idiot, sagt Tamara und muß lachen, obwohl sie nicht will.
– Auch wenn sich jeder nebenbei eine neue Mail-Adresse zulegen oder ein Prepaid-Handy kaufen kann, sagt Kris, was wäre, wenn wir mal annehmen würden, daß Meybach es gar nicht nötig hat, sich zu verstecken. Nehmen wir also mal an, ihm ist es egal, ob wir wissen, wer er ist. Was würde dir das sagen?
Tamara weiß nicht, was ihr das sagen soll.
– Entweder ist er dämlich, fährt Kris fort, oder er hat keine Angst vor uns. Wovor soll er sich auch noch fürchten? Wir haben seine Spuren verwischt, und wir haben uns um die Leiche gekümmert. Deswegen laß uns herausfinden, wer Dorothea Haneff ist. Verstehst du, was ich meine? Wir müssen ihre Vergangenheit durchwühlen. So ist das doch immer, in der Vergangenheit des Opfers findest du den Täter. Irgendwann werden wir dann auf Meybach, oder wie auch immer er wirklich heißt, stoßen. Irgendwas in ihrem Leben wird uns zu ihm führen. Meybach hat mir gesagt, daß er nicht mit der Tradition brechen will. Er hat über die Tote gesprochen, als hätte er sie gekannt.
Die Brüder sehen Tamara erwartungsvoll an.
– Und? sagt sie. Das ändert doch nichts. Vielleicht begreift ihr die Gefahr nicht, aber mir macht der Typ eine Scheißangst.
– Was heißt das? fragt Wolf überrascht. Willst du ihn etwa davonkommen lassen?
– Wolf, bitte, sieh uns doch mal an. Wir sind einfach nur ein paar Freunde, die eine Agentur leiten. Wir sind keine Polizisten,wir sind keine Geheimagenten, nur stinknormale Menschen, die an einen Irren geraten sind. Soll sich die Polizei um ihn kümmern. Wir können das nicht. Ich will auch nicht, daß wir das können. Ich will die Gefahr nicht.
– Wenn du dir Sorgen um Jenni - - -
– Natürlich mache ich mir Sorgen um Jenni, sagt Tamara gereizt. Auch wenn ich nicht die Mutter bin, die ich sein sollte, mache ich mir Sorgen um meine Tochter, okay? Ist das angekommen?
– Was schlägst du dann vor? will Kris wissen. Möchtest du davonrennen wie Frauke oder warten, bis sich der Killer wieder meldet und sagt, was wir als nächstes zu tun haben?
– Keines von beiden, das weißt du, erwidert Tamara.
– Was dann? hakt Kris nach.
Eigentlich hat sie vorgehabt, in die Küche zu kommen und ihren Entschluß sofort auf den Tisch zu legen. Sie fühlt sich wie eine Verräterin.
Sie werden es nie verstehen.
Tamara gibt sich einen Ruck und sagt es ihnen, und mit jedem Wort ist die Schuld deutlich aus ihrer Stimme herauszuhören.
Die Brüder reagieren gleichzeitig:
– Du hast was?!
Kris wirft den Beutel mit Eiswürfeln in die Spüle und rennt aus der Küche. Tamara hört ihn im Flur rumoren, kurz darauf steht er wieder in der Küche.
– Wo ist der MD-Player?
– Oben, ich habe doch gesagt, daß ich ihm die Datei geschickt habe.
– Wie konntest du nur?
– Einer mußte es beenden.
Einer mußte die Bremse ziehen.
Wolf steht vom Tisch auf.
– Wärst du nicht Tamara, würde ich dir jetzt eine scheuern. Er geht an ihr vorbei zur Tür.
– Wo willst du hin? fragt Kris.
Wolf verschwindet nach draußen, ohne ihm zu antworten. Tamara schaut auf ihre Hände.
– Wir hätten darüber reden können, sagt Kris.
– So wie wir darüber geredet haben, wo wir die Leiche vergraben?
Kris setzt sich wieder. Er massiert seinen Nacken. Tamara sieht, wie er zusammenzuckt, und stellt sich hinter ihn. Sie sagt, er soll den Kopf nach vorne beugen. Die Schwellung an seinem Hinterkopf ist lila und hat die Größe eines Hühnereis.
– Damit solltest du zur Notaufnahme fahren, das muß sich ein Arzt ansehen.
Kris winkt ab.
– Blödsinn, das ist nur eine Beule.
Tamara nimmt den Beutel aus der Spüle und füllt ihn mit neuen Eiswürfeln. Danach sitzen sie einander wieder gegenüber und warten darauf, daß Wolf zurückkommt. Tamara hat das Gefühl, nichts erreicht zu haben.
WOLF
Wolf schließt die Schuppentür hinter sich und lehnt sich für einen Moment dagegen, bevor er die Hände ballt und durchdreht. Holzscheite und Kanister fliegen durch die Luft, die Schubkarre bekommt so viele
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