SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition)
intensiveren Übungen zu arbeiten. Hier muss man ganz klar eine psychische Nachreifung erreichen.
G8 – oder: Wie man eine der Lieblingsdiskussionen im Bildungsbereich auch betrachten kann
Wenn in Deutschland über Bildung diskutiert wird, geht es in den letzten Jahren häufig vor allem um ein Thema: die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit um ein Jahr, landläufig bekannt unter dem Kürzel G8. Das Thema eignet sich immer wieder für Titelgeschichten in den großen Magazinen, gern auch mal, wie zuletzt im Frühjahr 2013 im Spiegel , unter dem Titel »Plattgepaukt« 12 , illustriert mit traurig dreinschauenden Kindern, auf deren Pullovern statt eines Markenschriftzugs deutlich zu lesen ist: »Ich kann nicht mehr.« Besagte Spiegel -Titelgeschichte stellt die Frage: »Wer Kinder oder Eltern nach dem Schulalltag fragt, hört dramatische Klagen über Schufterei und Strapazen. Üben die Lehrer tatsächlich zu großen Leistungsdruck aus?«
Ich bin weit davon entfernt, mir ein grundsätzliches Urteil über diese Schulreform anzumaßen. Ich glaube auch gern, dass die in diesem und vielen anderen Artikeln beschriebenen Fälle von stark belasteten Kindern mit Fünfzig-Stunden-Woche vorkommen. Mir geht es um eine Betrachtungsweise, die die Frage nach G8 oder G9 oder weiteren Modellen im Bereich der weiterführenden Schulen in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt.
Bisher wird die G8-Problematik von Eltern und Politik nur unter dem Gesichtspunkt der Belastung der Schüler am Gymnasium selbst diskutiert. Kaum jemand schaut jedoch auf die Zeit, die dem Wechsel in die G8-Jahre vorangeht, kaum jemand schaut auf die Schule, über die ich hier schon viel geschrieben habe, weil sie für alles Weitere elementar ist: die Grundschule.
Dabei müsste gerade dieser Blick den Diskussionen über die Ausgestaltung der Gymnasialjahre vorangehen. Was dieser Blick ans Tageslicht bringen würde, hat die Frankfurter A llgemeine Zeitung 2012 immerhin in einem kleinen Artikel beleuchtet und ist dabei zu Ergebnissen gekommen, die mich wenig erstaunen:
»Würden die Ergebnisse in ihrer ganzen Brisanz wahrgenommen, müsste längst ein Aufschrei durch die Elternschaft gehen: Denn in manchen deutschen Ländern wird bis zu 30 Prozent der Grundschüler die Zukunft systematisch verbaut. Vieles spricht dafür, dass das achtjährige Gymnasium keine so große Klippe wäre, wenn Schüler in der vierten Klasse wenigstens eines gelernt hätten: das Lernen. Davon kann aber keine Rede sein. Die Schonhaltung der Lehrer gegenüber ihren Schülern überwiegt. Wenn nach zwei Monaten Grundschule nur vier Buchstaben gezeigt werden, wird auch noch das aufgeweckteste Kind seine Neugier verlieren und sich langweilen.« 13
Deutlicher kann man es kaum sagen: Die Überlastung der Gymnasiasten hat neben den strukturellen Fehlern der G8-Umsetzung ihre Gründe vor allem darin, dass in der Grundschule nicht die notwendigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Mitarbeit an der höheren Schule geschaffen werden.
Im Artikel heißt es weiter:
»Offenkundig ist manchen Grundschulen noch nicht klar, welche Verantwortung sie für das haben, was ihre Schüler am Ende der vierten Klasse beherrschen müssen. Um die Verlängerung des Kuschelraums Kindergarten kann es jedenfalls nicht gehen.«
Genau diese »Verlängerung des Kuschelraums« jedoch ist Grundsatz einer Pädagogik, die sich offensichtlich nicht für die Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie interessiert. Die Verfechter dieser Pädagogik argumentieren unter anderem mit Rücksichtnahme auf die Kinder und ihr Wohl und damit, dass die »modernen« Unterrichtsformen die Kinder angeblich besser einbeziehen. Diese »Moderne« zieht sich dann durch die ganze Schulkarriere. So ist es durchaus interessant, darüber nachzudenken, wie die heute üblichen Abi-Noten mit unglaublich vielen Einser-Durchschnitten eigentlich zustande kommen, wenn die Anforderungen durch G8 doch so enorm gestiegen sind. Auch hier zeigt sich wohl eher eine Verknappung der Diskussion. An den weiterführenden Schulen werden die Anforderungen offenkundig abgesenkt, die Debatte darüber passt jedoch nicht ins politische Kalkül.
Vielleicht aber hängt auch einfach alles miteinander zusammen. Um es nochmals zu rekapitulieren: Bereits im Kindergarten überwiegen Kinder, die aufgrund der fehlenden Entwicklung ihrer emotionalen und sozialen Psyche nicht kindergartenreif sind. Die Pädagogik reagiert mit einer Absenkung des Niveaus, alles ist plötzlich
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