Soul Beach 1 - Frostiges Paradies (German Edition)
mal eingeschärft, bloß nie zu lächeln, wenn sie bei ihren Hinterbliebenen ist.
Aber die Augen meiner Mutter leuchten, genauso blau wie die von Meggie.
»Die Nachricht, die ich Ihnen bringe, ist wahrscheinlich nicht die, auf die Sie gehofft hatten, Mrs Forster.«
Mum blinzelt.
»Tim Ashley ist wieder auf freiem Fuß. Es wurde keine Anklage gegen ihn erhoben.«
Ich bemühe mich um eine ausdruckslose Miene. Dad fängt meinen Blick auf. Ich merke, dass er genau dasselbe versucht. Aber Mum ist am Boden zerstört.
»Das heißt nicht, dass es aus und vorbei ist. Wirklich nicht. Versuchen Sie es als weiteren Schritt in Richtung Wahrheit zu sehen, dahin, dass wir herausfinden, wer Ihre Tochter getötet hat«, sagt Fran mit diesem Ausdruck professionellen Mitgefühls im Gesicht, für den ich sie am liebsten ohrfeigen würde.
»Wir alle wissen, wer sie getötet hat«, zischt Mum. »Aber Sie sind ja alle viel zu inkompetent, um es zu beweisen.«
»Bea …«, mahnt mein Vater leise.
»Ich muss hier raus«, sagt sie und schüttelt seinen Arm ab.
»Warten Sie«, versucht Fran sie aufzuhalten. »Die Reporter sind noch da draußen.«
Mum sieht aus, als kochte sie vor Wut. Sie macht mir regelrecht Angst. »Von diesem Abschaum lasse ich mich doch nicht in meinem eigenen Haus gefangen halten. Ich habe ja wohl nichts Falsches getan, oder?«
Wir folgen ihr hinaus in den Flur. Dad versucht, sie umzustimmen. Doch als sie die Haustür öffnet, sind Auffahrt und Straße komplett verlassen.
»Woher wussten die das?«, fragt Mum.
Fran zuckt mit den Schultern. »Wir versuchen natürlich, alles so gut es geht unter Verschluss zu halten, aber irgendwie ist wohl doch etwas durchgesickert.« Ich merke, dass sie schon ihre Tasche und ihren Mantel in der Hand hält. Da plant wohl jemand einen raschen Abgang. Ich wünschte, ich könnte mit ihr gehen.
Meine Mutter bleibt zögernd auf der Türschwelle stehen. Ihre Wut ist verflogen und ihre Schultern sacken nach unten. Fran schlüpft durch den Türspalt nach draußen. »Ich melde mich, dann hoffentlich mit besseren Neuigkeiten.«
Dad nimmt meine Mutter beim Arm und diesmal wehrt sie sich nicht.
»Brandy«, bestimmt er und sie lässt sich wieder zurück ins Wohnzimmer führen.
Wir trinken alle einen Brandy und Mum wirft Dad noch nicht mal einen vorwurfsvollen Blick zu, weil er mir auch einen eingeschenkt hat. Setzen will sie sich nicht, sondern wandert auf und ab wie ein Raubtier im Zoo und murmelt vor sich hin.
»Wenn du etwas zu sagen hast, dann raus damit, Bea«, fordert Dad sie auf.
Sie schnaubt abfällig. »Als könnte ich mit dir darüber reden! Du würdest doch eher eine Tim-Ashley-ist-unschuldig-Demo anleiern als zuzugeben, dass er sie vielleicht doch getötet hat.«
Ich will hier weg, aber ich kann nicht. Ich fürchte, mich nicht auf den Beinen halten zu können. Der Brandy hat einen fiesen, holzigen Geschmack in meinem Mund hinterlassen und ich würde mich am liebsten übergeben.
»Vielleicht hatte ich ja unrecht«, sagt Dad.
Vielleicht hatte ich auch unrecht. Vielleicht habe ich mich von Tims Schüchternheit blenden lassen. Soll nicht sogar Hitler ein sanftmütiger Vegetarier gewesen sein, wenn er nicht gerade ganze Völker auszurotten versuchte? Vielleicht hat Tim nur so getan, als interessierte er sich für mich, und in Wahrheit war es bloß irgendeine kranke Art von Tarnung.
Meine Mutter setzt sich neben mich. Dann breitet sie die Arme aus und, na ja, seien wir doch mal ehrlich, es wäre ziemlich herzlos von mir, mich da abzuwenden. Als wir uns umarmen, rieche ich Meggies Parfum, Coco Mademoiselle, das Mum immer dann auflegt, wenn sie meine Schwester so sehr vermisst, dass sie es gar nicht mehr ertragen kann, und wenn sie sich daran erinnern will, dass es sie wirklich einmal gegeben hat. Und dann flüstert sie: »Sie kriegen ihn schon noch, Alice, ich weiß, das werden sie.«
Ich lasse zu, dass sie sich an mich klammert, doch ich denke dabei die ganze Zeit: und wie, bitte schön, wenn sie ihn schon festgenommen und verhört und ihm gedroht haben und er immer noch nichts zugibt?
Da kommt mir eine Idee: Vielleicht sagt Tim mir ja die Wahrheit.
Sie hätten Meggies Duft in Flaschen abfüllen sollen.
Honig mit Zitrone, um nach den Auftritten ihren Hals zu beruhigen. Kamillenshampoo für dieses seidig blonde Haar. Und der Geruch der Party von letzter Nacht, der immer in ihren Kleidern hing, das Parfum vom Vorabend, das noch auf ihrer Haut klebte.
Manchmal versuche
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