Soul Beach 1 - Frostiges Paradies (German Edition)
einfach ist das nicht. Es gibt Gäste, die hier unbedingt wegwollen, aber es nie schaffen, und dann gab es welche, die fanden es toll hier, sind aber eines Morgens einfach nicht mehr aufgetaucht.«
»Dann ist es also doch irgendwas, das in der wirklichen Welt passiert.«
Sie pustet mir einen scharf riechenden Rauchring entgegen. »Wirklichkeit ist etwas Relatives, Alice.«
»Na gut, dann eben in meiner Welt, wenn dir das besser gefällt.«
Sam wendet sich ab. »Vermutlich habe ich schon zu viel gesagt.«
»Also, wenn ich irgendwas tue, das aufzuklären hilft, was mit Meggie passiert ist. Zum Beispiel, ich weiß auch nicht, rausfinden, wer sie getötet hat. Würde sie dann verschwinden?«
»Tu nichts, was du normalerweise nicht auch tun würdest. Das könnte gefährlich werden. Manchmal haben die Dinge Auswirkungen, die man nie hätte voraussagen können.«
»Aber …«
Sie scheint über irgendetwas nachzudenken. »Alles, was ich sagen kann, ist, ich denke, du könntest recht damit haben, dass eine Art Auflösung der Schlüssel ist. Aber Auflösung bedeutet nicht immer das, was du denkst. Wie Konfuzius dir sicher auch hätte sagen können.«
»Konfuzius?«
Sie winkt ab. »Ach, so ein alter Chinese. Weißt du, was dein Problem ist, Alice? Du interpretierst immer viel zu viel in die Dinge hinein. Die Hälfte von dem, was ich hier verzapfe, ist ungefähr so blödsinnig, wie man es von einem Mädel erwarten kann, das die ganze Nacht auf war.«
»Und die andere Hälfte?«
Sie schnalzt missbilligend mit der Zunge. »Jetzt lass aber mal gut sein. Ich sag dir was: Es ist ein Glück, dass du nur zu Besuch bist. Du würdest hier wahnsinnig werden.«
»Ich gehe sie suchen«, sage ich leise.
Sam stellt sich neben mich und der Gestank nach Cannabis überwältigt mich beinahe. »Tu das, Alice. Und wenn du sie gefunden hast, erzähl ihr Witze und nette Geschichtchen, genieß die Zeit mit ihr. Wenn es eins gibt, was ich an diesem verdammten Ort gelernt habe, dann, dass man nicht weiß, was man hat, bis man es verliert.«
26
Wenn Meggie eine Ahnung davon hat, dass sich zu Hause irgendetwas verändert hat, dann zeigt sie es jedenfalls nicht.
Ich entdecke sie auf dem Steg, wo sie auf dem Rücken liegt und verträumt zu der dünnen Mondsichel hochblickt, während drei Typen sie anglotzen wie eine an den Strand gespülte Meerjungfrau. Ich halte nach Danny und Javier Ausschau, aber sie sind nicht unter ihren Bewunderern. Diese Jungs sind durchtrainiert und gestylt und ihre Haut schimmert im bläulichen Mondschein wie Marmor. Außerdem wirken ihre Posen bemüht, so als hätten sie sich extra so hingelegt, um ihre Muskeln ins rechte Licht zu rücken. Es ist schon ulkig: Ich kenne Danny kaum, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er so was machen würde – bei Javier bin ich mir allerdings nicht so sicher.
Ich rufe mir in Erinnerung, dass die Typen im echten Leben vermutlich nicht halb so süß waren, deswegen versuchen sie jetzt so viel Kapital wie möglich aus ihrem neu erworbenen Sex-Appeal zu schlagen. Schätze mal, ich würde dasselbe machen, wenn ich so gut aussähe.
Na ja, vielleicht tue ich das ja sogar, während ich hier bin.
»Meggie?«
Sie blickt auf und zieht einen Augenblick lang die Stirn kraus, wie sie es früher immer getan hat, wenn ich, ohne zu klopfen, in ihr Zimmer geplatzt bin und sie dabei erwischt habe, wie sie in Unterwäsche vor dem Spiegel herumtanzte, eine Banane als Mikro in der Hand. Aber dann lächelt sie so liebenswürdig, dass ich mir sicher bin, es mir nur eingebildet zu haben.
»Hey, Alice, du bist schon wieder da, das ist ja super!«
Die Muskelprotze sehen sich nicht mal um und ich will gerade einen Kommentar zu ihrer Unhöflichkeit abgeben, als mir wieder einfällt, dass sie mich ja gar nicht sehen können.
Megan steht auf. »Den dreien hier stell ich dich gar nicht erst vor«, sagt sie und tritt auf mich zu, um mich mit Luftküsschen zu begrüßen. Sie flüstert: »Die sind weder besonders intelligent noch sonst wie interessant, und um ehrlich zu sein, hab ich ihre Namen auch schon wieder vergessen. Ich hatte, ich weiß auch nicht, Lust auf was Neues. Wollte mal raus aus der üblichen Gang, mit denen war’s mir heute zu anstrengend.«
Sie marschiert vor mir her, zurück Richtung Bar. »Schön, dich schon so bald wiederzusehen, Schwesterchen. Kleine Pause von den Hausaufgaben?«
»So was in der Art. Du weißt ja, wie es zu Hause ist«, sage ich, aber das weiß sie nicht, nicht
Weitere Kostenlose Bücher