Soul Beach 1 - Frostiges Paradies (German Edition)
Es überrascht mich, wie leicht es mir fällt, das Biest zu spielen.
»Denkst du das wirklich?«, fragt er schließlich.
Ich zucke mit den Schultern. »Ich habe zusehen müssen, wie meine Eltern angefangen haben, sich zu hassen, seit Meggie tot ist, aber die sind auch verheiratet. Sie müssen versuchen, alles wieder zu kitten. Wir nicht. Manchmal ist ein sauberer Bruch einfach das Beste.«
Robbie weiß nicht, was er sagen soll. Vielleicht ist er erleichtert. Nach ein paar Sekunden schwinge ich die Beine vom Bett und ziehe meine Schuhe wieder an.
Das hier ist alles meine Schuld, warum also warte ich immer noch darauf, dass er etwas sagt, was uns rettet? Aber er sieht mich noch nicht mal an. Ich beuge mich vor, um ihn zu küssen, weil es mir in dieser Situation das Richtige zu sein scheint, und aus Gewohnheit küsst er mich zurück, leidenschaftlich, bis ich zurückweiche.
»Nein.«
Ich gehe durch die Tür und die Treppe runter und drehe mich nicht mal um, als ich höre, wie Robbies Mutter aus der Küche kommt und fragt, ob ich Kaffee und ein Stück von ihrem selbst gebackenen Karottenkuchen möchte.
Jetzt bin ich wieder auf mich allein gestellt und die Dämmerung färbt die Straßen noch grauer als zuvor. Ich schließe die Augen und stelle mir sehnsüchtig die Wellen vor, die mich daran erinnern, dass das Leben aus mehr besteht als nur aus dieser beschissenen Realität.
Aber das, was ich höre, sind nicht die Wellen. Es ist Meggie.
»Florrie.«
Und im Geiste antworte ich ihr: Ich komme schon …
31
Der Oktober stinkt nach Feuer und verrottendem Laub.
Nach Friedhof.
Aber der Strand verströmt denselben unglaublichen Geruch wie immer, ein verführerischer Cocktail aus Ozon, Früchtepunsch und von Seewasser umspültem Bambus.
»Welche Jahreszeit haben wir, Florrie?«
Meine Schwester und ich sitzen ein Stück von der Bar entfernt unter einer Palme, die so riesig ist, dass uns der schattige Bereich darunter wie ein Geheimversteck erscheint. Mittlerweile komme ich zwei-, dreimal am Tag her: morgens und nachmittags, und dann mache ich am Abend noch mal einen ganz kurzen Abstecher, bevor ich ins Bett gehe.
Das gehört genauso zu meiner täglichen Routine wie Zähneputzen, macht aber mehr Spaß. Und was Meggie angeht: Sie wirkt viel zufriedener als am Anfang, viel mehr wie sie selbst. Ich denke schon, dass das irgendwie an mir liegt.
»Ähm, das weißt du wirklich nicht?«
Sie öffnet die Augen. »Sieh dich doch mal um. Das Wetter hier ist immer gleich, da verliert man schon mal den Überblick. Egal, Sam in der Bar sagt, das ist auch besser so. Die Gäste, die jeden Tag mit einem neuen Strich im Sand markieren, akzeptieren nie, was geschehen ist.«
»Es ist Herbst. Oktober.«
»Meine Lieblingszeit. Da steht Weihnachten schon fast vor der Tür: Ihr Kinderlein, kommet, oh kommet doch all!«
Noch so etwas, das sich verändert hat: Meggie singt wieder. Tatsächlich kann man sie kaum noch davon abhalten.
Ich sage ihr nicht, dass Weihnachten dieses Jahr unerträglich sein wird, ohne sie.
»Hey, Leute!«, ruft sie Javier und dem Rest der Gang freudig zu, die gerade vorbeischlendern. »Wisst ihr was? Der Sommer ist vorbei!«
Jetzt kommen sie auf uns zu und ich bemühe mich, ein Lächeln aufzusetzen. Mir ist es lieber, wenn ich mit Meggie allein sein kann; nicht nur, weil Javier anstrengend ist und Danny mich verunsichert und ich mich in Tritis Gegenwart fett fühle. Sondern auch, weil ich jetzt weiß, wie die beiden Jungs gestorben sind, und die Bilder einfach nicht mehr aus dem Kopf bekomme: die mit den Trümmern von Dannys Flugzeug übersäte Wüste und dieser liebenswerte, ernste Javier von dem Foto, dessen Leben mit einem Sturz vom Dach einfach vorbei war.
»Findet ihr den Winter nicht auch einfach toll?«, fragt Meggie, während sich die anderen auf unserer Decke niederlassen. Oje. Sieht aus, als wollten sie länger bleiben. »Die dunklen Abende in gemütlichen Pubs. Halloween. Bonfire Night.«
»Und Diwali«, ergänzt Triti. »Das Lichterfest.«
»Thanksgiving«, sagt Danny. »Das beste Essen im ganzen Jahr. Ah, ich weiß noch, was für einen Hunger ich da immer hatte, und dann stieg mir irgendwann der Duft von Mums Truthahnbraten in die Nase. Mann, war das lecker.«
Javier zuckt mit den Schultern. »Ach, ich bin mehr der Strandtyp. Winter ist doch Mist. Man hockt immer nur im Haus, im trauten Familienkreis – uäh. Nicht mein Ding.«
Ich denke an seine Lüge, er sei ein Einzelkind gewesen. Womit
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