Soul Beach 1 - Frostiges Paradies (German Edition)
reinschleichen zu können, aber noch bevor ich dazu komme, den Schlüssel ins Schloss zu stecken, reißt meine Mutter mit einem derart manischen Grinsen die Tür auf, dass sie entweder irgendwelche Gute-Laune-Pillen eingeworfen haben muss oder vorhat, mich zu irgendwas zu überreden, das ich nicht will.
»Schätzchen! Wie war’s in der Schule? Ich bin so froh, dass du rechtzeitig wieder da bist, hier sind nämlich ein paar Leute, die sich gern mit dir unterhalten würden.« Sie deutet in Richtung Wohnzimmer und ich sehe einen geisterhaften Schein durch den Türspalt dringen.
Verdammt, was ist denn jetzt los? Hat sie Olav für einen Haufen Okkultisten sitzen gelassen? Halten die da drin etwa eine Séance ab?
»Na los, Alice, es beißt dich schon niemand.«
Ich trete ins Zimmer und werde sofort geblendet von drei riesigen Scheinwerfern auf Stativen, die alle auf Dads Sessel gerichtet sind. Neben dem Sessel steht ein Tischchen mit drei von Mums liebsten Meggie-Fotos, sorgfältig arrangiert. Auch eine Tasse Tee sehe ich, obwohl Mum nie welchen trinkt.
Dann erst fallen mir die Leute auf: ein Mann hinter einer großen Videokamera, ein weiterer mit Kopfhörern und zwei Frauen. Die eine hält ein Klemmbrett in der Hand und die andere hat den typischen Ausdruck übertriebenen Mitgefühls im Gesicht, den ich in den letzten Monaten viel zu oft gesehen habe.
»Hallo, Alice. Wie geht es dir?«, fragt Miss Mega-Mitgefühl ach so rücksichtsvoll.
Ich beäuge sie argwöhnisch. »Was wird das denn hier?«
Mum tritt hinter mich. »Eine Hommage für Meggie. Diesen Samstag fängt die neue Staffel von Sing for your Supper an und dafür wollen sie hier etwas aufnehmen.«
Diesen Samstag. Das muss Ellie gemeint haben – keine Party.
»Ja«, bestätigt Mitgefühls-Mausi. »Wir finden, es wäre einfach nicht richtig, nicht kurz auf Meggies unglaublichen Beitrag zum Erfolg der letzten Staffel einzugehen. Und ihre Millionen von Fans erwarten sicherlich auch etwas.«
Tja, ihre Millionen von Fans können eurer Einschaltquote ja auch nicht unbedingt schaden, was?, denke ich. Aber anstatt es auszusprechen, drehe ich mich einfach nur weg. »Vielen Dank für das Angebot, aber ich möchte das nicht.«
Ich will das Wohnzimmer verlassen, doch Mum tritt mir in den Weg.
»Ich glaube aber, deine Schwester hätte es sich so gewünscht, Alice.«
»Woher willst du das wissen?« Am liebsten hätte ich ihr gesagt, dass ich kurz nach oben gehen und meine Schwester fragen könnte, aber zum Glück halte ich den Mund. Ich will sie fragen, warum auf dem Tisch drei Bilder von Meggie stehen, aber ich auf keinem davon zu sehen bin, doch auch das verkneife ich mir. Und dann kommt mir noch etwas anderes in den Sinn. »Wo ist Dad? Macht der etwa dabei mit?«
Mum blickt zur Seite.
»Du hast es ihm noch nicht mal gesagt, stimmt’s?«, wird mir klar. »Also ehrlich, diese Familie …«
Endlich lässt sie mich vorbei und ich renne nach oben. Es gibt nur einen Ort, an dem ich mich normal fühle – und erwünscht.
Der Himmel hat dasselbe atemberaubende Blau wie immer und das Rauschen der Wellen beruhigt mich sofort. Es ist weniger als vierundzwanzig Stunden her, dass ich hier gewesen bin, aber es kommt mir vor wie Wochen. Ich habe das alles so sehr vermisst.
Dann fällt mir wieder ein, warum ich heute Morgen nicht hergekommen bin, und ich werde rot. Ob Danny überhaupt gemerkt hat, dass ich nicht am Strand war?
»Hey, Florrie. Hier bin ich.«
Viel zu laut tönt die Stimme meiner Schwester durchs Zimmer und ich ramme hastig den Kopfhörerstecker in den Laptop, damit sie niemand hört. Keine Ahnung, wie ich das einer Filmcrew und meiner Mutter erklären würde.
Meggie steht mit verschränkten Armen hinter mir. »Du bist spät dran.«
»Im Ernst?« Ich will ihr das mit der Fernsehsendung nicht erzählen. Wie ich Meggie kenne, würde sie mir wahrscheinlich noch ganz genau aufschreiben, was ich sagen soll, und darauf bestehen, dass sie nur Clips aus den letzten paar Shows zeigen, wo sie mithilfe der Atkins-Diät bereits das halbe Kilo verloren hatte, das ihrer Meinung nach in den Runden davor so furchtbar aufgefallen war. »Ich dachte, ihr hättet hier keine Uhren.«
Sie zuckt mit den Schultern. »Ich kann die Zeit an den Schatten ablesen. Wie eine Schamanin. Egal, ich muss mit dir reden. Allein. Gehen wir eine Runde spazieren?«
Ich nicke. Was kommt denn jetzt? Vielleicht will sie mir sagen, dass sie weiß, wie tierisch ich in Danny verknallt bin, und
Weitere Kostenlose Bücher