Soul Kitchen
fertig zu werden, da stellte sich plötzlich der Mann neben ihn, an dem er bisher keine Doppelung entdeckt hatte. Beim Essen hatte Zinos ihn beobachtet. Er war größer als alle anderen Dorfbewohner, vielleicht war es das, die doppelte Körpergröße. Zinos hatte plötzlich eine verstörende Ahnung, er konnte nicht anders, er sah hin und tatsächlich, der stattliche Mann pinkelte aus zwei Schwänzen. Wieder am Feuer setzte sich der Mann neben die Frau mit den zwei Mündern und strich ihr verliebt übers Haar.
Man verabschiedete sich, und die Fahrt ging weiter. Candido warf eine neue Kassette ein, bald würde es dunkel sein. Der Rest der Fahrt dauerte drei Mal Space Oddity von David Bowie, drei Mal Once In A Lifetime von den Talking Heads, drei Mal Everybody Wants to Rule the World von Tears for Fears, drei Mal Invisible Sun von The Police, drei Mal Insane in the Brain von Cypress Hill, drei Mal Heaven know’s I’m miserable now von The Smiths, drei Mal Life On Mars? von David Bowie, drei Mal Wanted Dead or Alive von Bon Jovi, drei Mal Love is the drug von Roxy Music, drei Mal Psycho Killer – und genau beim letzten Ton vom dritten Mal Road To Nowhere der Talking Heads passierten sie das blecherne Schild von Metido City, der Bus stieß dagegen, und dann schrappte es über das Dach.
Esperanza hatte Zinos gesagt, Candido würde ihn zum besten Hotel der Stadt bringen. Es konnte nicht mehr weit sein, und Candido schien in Eile, den Transfer zu beenden, was nicht gelang, da die Straßen voll mit uralten Autos aller Art und Menschen waren, außerdem sprangen langschwänzige Affen herum, die so groß waren wie fünfjährige Kinder. Nach einer Weile hielt Candido vor einem hohen, schmutzigen Haus, das mit Stuck verziert war, über jedem Fenster thronte ein anderes Tier.
Es wirkte verlassen, einige Fenster waren zerschlagen. Zinos und Candido umarmten sich, und Candido drückte ihm einen Kuss auf den Mund, den Geruch seiner Spucke bekam Zinos erst nach Stunden aus der Nase. Durch einen bewachsenen Torbogen gelangte man in einen kleinen Hof, dahinter war der Eingang, über dem eine riesige azurblaue Käferfigur aus Stein prangte. Zinos entdeckte nirgends ein Schild mit dem Namen des Hotels.
Er betrat das mit Plüschmöbeln ausgestattete Foyer, ein Gong ertönte so laut, dass eine Weile ein Piepen in Zinos’ Ohren klang, so lange, bis sich jemand schallenden Schrittes näherte. Der Mann trug eine schwarze Uniform und roch stark nach ledrigem Parfum. Er hatte einen gepflegten schmalen Oberlippenbart und pomadig glänzende Locken. Seine Augen waren blau. Er war ungefähr so groß wie Zinos, musterte ihn kurz und sprach kein Wort – auch nicht als Zinos ihn begrüßte. Er zog erst ein sperriges Buch unter dem Tresen hervor, hüstelte ein wenig mit vorgehaltener Hand und blätterte dann lange darin herum. Hinter ihm hingen fast alle Zimmerschlüssel, vielleicht waren alle Gäste außer Haus. Der Mann blickte Zinos an; das Auge schien fast nur aus der blauen Iris zu bestehen, Pupillen waren kaum zu erkennen. Er sagte mit heller Stimme:
»Do you have a reservation?«
»No.«
»What’s your name?«
»Zinos Kazantsakis.«
»Than you have a reservation, room seventy three.«
Ohne sich umzudrehen, fischte er einen Schlüssel vom Bord und legte ihn auf den Tresen.
»Do you need my Passport?«
»No, but can I take a picture of you?« , fragte der Mann nun mit einem Ausdruck des Entzückens in der Stimme.
»Yes, okay, why not« , sagte Zinos.
Schon hatte der Mann eine Polaroidkamera gezückt und Zinos fotografiert; das Foto schnellte heraus, er fächelte nicht damit herum, hielt es nur eine Weile in der Hand und betrachtete es. Man konnte in seinem Gesicht lesen, dass er immer mehr darauf erkannte. Zinos hob seinen Rucksack und wollte auf sein Zimmer gehen, da rief der Mann:
»Stop, your Picture!«
Er übergab es Zinos und sagte:
»Have a look at yourself. My name is Dagoberto by the way«
»Oh, I met a bird whose name was Dagoberto, too.«
»The Papagayo! Yes, that was me, too!«
Zinos wartete auf ein Zwinkern, aber Dagoberto schien es ernst gemeint zu haben. Er fügte hinzu:
»Maybe you have a little present for me?«
»Im sorry, I have nothing but a little money.«
»You call my feather nothing? Shame on you, Zinosboy!«
Zinos wühlte in seinem Rucksack, er fand die Feder, sie war etwas zerfleddert. Begeistert riss Dagoberto sie ihm aus den Händen, da leuchtete sie plötzlich wieder grün, und jede Faser war
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