Soul Screamers 1 - Mit ganzer Seele
kalt und hart. „Wenn du mir versprichst, dass du es ihm nicht sagst, verrate ich dir, was ich herausgefunden habe!“
Jetzt war ich wirklich überrascht. Er war tatsächlich bereit, mir die Information im Austausch für sein kleines Geheimnis zu überlassen? Erstaunlich. Aber … „Woher weißt du, dass ich mein Wort halte?“
„Nash hat gesagt, du lügst nicht.“
Na toll. Ein Reaper packte mich bei meiner Ehre. „Na gut,ich verspreche, dass ich es ihm nicht verrate, wenn du mir sagst, was du herausgefunden hast. Aber du musst mir schwören, dass du dich von seinem Haus fernhältst.“
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. Wahrscheinlich rang Todd noch mit der Entscheidung. Warum war ihm so wichtig, dass er bei Nash abhängen konnte? Warum in aller Welt wollte er unbedingt dorthin zurück?
„Abgemacht“, sagte Todd schließlich, und ich atmete erleichtert auf. Aus unerfindlichen Gründen war ich mir sicher, dass er sein Wort halten würde.
„Schön!“ Ich schlug die Decke zurück und stand auf. Jetzt war ich sowieso hellwach. „Also, hast du die Liste gesehen?“
„Ich hatte eben Glück. Mein Chef ist fast eine Stunde nicht im Büro gewesen, weil er sich um irgendeine Sache im Norden des Bezirks kümmern musste. Und da ich sein Passwort kenne …“
„Ach, du kennst ganz zufällig sein Passwort?“ Ich setzte mich an den Schreibtisch und begann, mit einem Stift auf dem lila Notizblock herumzukritzeln.
„Letzten Monat hat er sich aus Versehen aus dem System ausgeloggt. Da ich der Einzige im Büro bin, der im digitalen Zeitalter gelebt hat, bin ich sozusagen der Haustechniker.“
Das war unheimlich, aber ich ließ es gelten. „Also, was ist jetzt mit den Listen?“
„Ich konnte sie nirgends finden.“
„Wie bitte?“ Ich ließ den Stift fallen, als die Wut in mir hochkochte. Waren die ganzen Verhandlungen etwa umsonst gewesen? Hatte ich versprochen, Nash etwas zu verschweigen, nur um herauszufinden, dass Todd die Liste gar nicht gesehen hatte?
„Die Namen meine ich. Sie standen nicht drauf“, fügte er hinzu. Meine Wut verpuffte und wich Erleichterung, gefolgt von Angst. Angst um alle Mädchen, die ich kannte. „Du hattest recht“, fuhr Todd fort. „Keines dieser Mädchen hätte sterben sollen.“
Nach meinem Gespräch mit Todd konnte ich nicht wieder einschlafen. Ich musste meinem Onkel erzählen, dass sich meine Vermutung bestätigt hatte: Einer von Todds Reaper-Kollegen hatte Überstunden gemacht und unerlaubt ein paar Seelen geklaut. Es gab jedoch keine Veranlassung, Onkel Brendon mitten in der Nacht zu wecken, auch nicht wegen einer so bedeutsamen Neuigkeit. Keines der anderen Mädchen war vor zwölf Uhr mittags gestorben. Und wenn sich das Muster fortsetze, blieb uns bis zum nächsten Todesfall noch genügend Zeit.
Ich würde es Onkel Brendon sagen, wenn mein Vater da war. Dann musste ich es nicht zweimal erzählen. Außerdem ersparte ich mir dadurch, erklären zu müssen, wie der Reaper an meine Telefonnummer gekommen war und warum er mitten in der Nacht angerufen hatte.
Aber Nash wollte ich es sofort erzählen!
Mit zitternden Fingern blätterte ich durch das Adressbuch des Handys. Mir wurde das Herz schwer, als ich daran dachte, was ich Nash gleich erzählen wollte – und was ich ihm verschweigen musste. Ich war der festen Überzeugung, dass es einer Beziehung nicht guttat, Geheimnisse voreinander zu haben; meine Familie war der lebende Beweis dafür. Doch Todd hatte mir versprochen, nie wieder in Nashs Haus zurückzukehren. Das Geheimnis konnte also keinen Schaden mehr anrichten, und war es nicht das Leben derjenigen wert, die ich dadurch rettete?
Es klingelte dreimal, aber selbst die wenigen Sekunden kamen mir wie eine Ewigkeit vor. Ich hoffte fast, dass Nash nicht rangehen und ich so noch ein paar Stunden Zeit gewinnen würde.
Nash nahm beim vierten Klingeln ab.
„Hallo?“ Er klang genauso müde, wie ich mich fühlte.
„Hey, ich bin’s.“ Vor lauter Aufregung begann ich, im Zimmer auf und ab zu laufen.
„Kaylee?“, fragte Nash besorgt. Er war sofort hellwach, eine Fähigkeit, um die ich ihn beneidete. „Was ist los?“
Ich nahm einen runden Briefbeschwerer vom Schreibtischund rollte ihn zwischen den Handflächen. Das Handy klemmte ich zwischen Kopf und Schulter. „Die Mädchen standen nicht auf der Liste!“
„Wirklich? Woher weißt du …“ Nash sog scharf die Luft ein, und ich wappnete mich gegen den bevorstehenden Wutausbruch. „Dieser
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