SOULMATE (German Edition)
Komma redete, Finn ab und zu sogar mal richtig lachte und Patrick rundum zufrieden aussah.
Mir war mit jeder Minute, als würde mein Gehirn austrocknen und mein Herz stünde vor einem Infarkt. Der Sekt hatte mich kein Stück entspannt. Ich hatte keinen blassen Schimmer, was ich sagen sollte, befürchtete außerdem, aufgrund des festgewachsenen gigantischen Kloßes in meinem Hals, mich nie mehr vernünftig artikulieren zu können.
Zum Glück waren Patrick und Lenny absolute Quasseltassen, Finn wiederum redete nur, wenn die beiden gerade mal nichts sagten. Ich ließ ihre Stimmen bloß noch meine Gehörgänge durchstreifen, ohne dabei vom Inhalt des Gesagten etwas mitzukriegen.
Es war mir ein Rätsel! Er war mir ein Rätsel!
Hatten wir wirklich rumgeknutscht wie zwei liebeshungrige Teenager? Oder hatte ich mir in meinem von Alkohol umnebelten Hirn die ganze Geschichte nur eingebildet? Vielleicht hatte es nicht mal eine Silvesterparty gegeben! Meiner Fantasie war fast alles zuzutrauen. Welches Jahr hatten wir noch mal? Haha …
Meine Gedanken flüchteten immer weiter vom aktuellen Geschehen um mich herum. Vor meinem geistigen Auge sah ich mich laut heulend im Regen stehen, eine herzzerreißende Szene, in der ich mir ganz ungehemmt die Seele aus dem Leib schrie: » WOLLTEST DU MICH NUR VERARSCHEN, DU GEMEINER UNMENSCH? «
Ich blinzelte kurz zu Finn, um mich zu vergewissern, dass er wirklich existierte und keine Gedanken lesen konnte. Er kaute auf einer Olive herum und fingerte den Kern aus seinem Mund. Ich schaute schnell wieder weg.
»Was machen wir heute Abend?«, fragte Patrick in die Runde. »Du hast doch morgen noch frei, Valerie, oder nicht?«
Ich nickte stumm.
»Ins ‚High End‘?«, schlug Lenny vor.
Patrick runzelte die Stirn. »Wer spielt denn?«
»Keinen Blassen, aber ich kann im Programmheft nachschauen ...«
Großer Gott! Ich musste dringend auf die Toilette und verschnaufen.
Lenny hatte sein Badezimmer komplett in Dunkelviolett gestrichen. Im Spiegel über dem Waschbecken sah ich aus wie ein verzweifelter Alien: bläulich, mit tiefen Augenringen und einem Ausdruck um die Augen, als wäre ich auf dem falschen Planeten gelandet.
Wahrscheinlich sah ich für meine Mutter immer so aus.
»Du musst dich mal ein bisschen mehr um dein Aussehen kümmern, Valerie, du hast doch eigentlich so ein hübsches Gesicht!« Und jedes Mal ärgerte ich mich über ihren Spruch, statt ihn einfach zu ignorieren, und mein Vater war meist derselben Meinung. Sie waren ein unschlagbares Team, beide Orthopäden mit gemeinsamer, ziemlich gut laufender Praxis und dem dazugehörigen Lifestyle: Villa im Grünen, zwei Sportwagen, Tennisclub-Mitgliedschaft, Sonnenbräune und Privatmasseur. Morgen, Montag, würde ich sie besuchen, weil sie noch die ganze Woche frei hatten und ich echte Sehnsucht nach ihrer Nähe verspürte. Hinter ihrer todsicheren, gnadenlosen Kritik bezüglich meiner nicht vorhandenen Zukunftspläne und überhaupt würde ich wieder stur elterliche Liebe und Besorgnis vermuten und mich glücklich schätzen. Ach ja, an dieser Stelle sollte ich erwähnen, dass ich eine zwei Jahre ältere Schwester habe - Natalie - die nur dann bei unseren Eltern aufschlägt, wenn sie ihren ‚Vorzeigetochterbonusscheck‘ abholen will …
Als ich zurückkehrte, stand Finn gerade auf, um seine Zigaretten zu holen. Ich setzte mich und fragte, ob sie sich wegen heute Abend schon entschieden hätten.
»Wir wollen ins ‚High End‘« sagte Lenny.
»Wer spielt …?«, wollte ich wissen. Ich versuchte normal zu klingen, klang aber deprimiert.
»Eine Rockband aus Hamburg, heißen … Paddy, wie heißen die noch mal? »
»‚Rawhead Ruby‘«, antwortete Patrick, »was übersetzt wohl ‚Rohkopf Ruby, heißt, hahaha.« Er lachte über seine unsinnige Übersetzung, während er in einem Stadtmagazin herumblätterte.
Finn setzte sich wieder und steckte sich eine Zigarette an. Ich zuckte zusammen, als er mich plötzlich ansprach. »Kommst du auch?« Ich starrte in seine unergründliche Miene.
»Mal sehen«, sagte ich mit pochendem Herzen, dem Hort all meiner Hoffnungen auf seine Aufmerksamkeit.
»Mal sehen« war eine coole Antwort - oder auch nicht … nein, war‘s nicht ...
Ich kaute Gurkenscheibchen, eins nach dem anderen und tat, als hörte ich der Musik zu. Lenny begann einen Joint zu drehen, und Patrick massierte sich den Bauch und unterließ es, Lenny zu ermahnen.
Mein unbändiges Verlangen nach einer wie auch
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