SOULMATE (German Edition)
anders.«
»Wohin denn?« Er sah mich verständnislos an, als hätte ich ihm eine unglaubliche Nachricht mitgeteilt.
Ich überlegte, was ich sagen sollte, und warum ich eigentlich nicht blieb. Warum ich meinen Eltern nicht absagte, und ob ich etwa vor ihm floh, und ob er überhaupt wusste, wie irritierend gut er aussah, selbst jetzt, so unmittelbar nach dem Aufwachen.
»Zu … meinen … meinen Eltern«, stammelte ich schließlich. »Ich habe sie schon ewig nicht mehr gesehen. Die haben immer kaum Zeit. Wenn ich sie sehen will, muss ich anrufen und einen Termin klarmachen. Verrückt was?«
Er strich nachdenklich über seine Haare, die herrlich zerzaust waren, und machte ein angespanntes Gesicht.
»Wann musst du los?«, fragte er mit rauer Stimme.
»In einer halben Stunde.«
Ich hielt mir die Kaffeetasse vors Gesicht und musterte ihn unsicher über den Rand hinweg. Ich wusste nicht, was er von mir erwartete und wollte auch nicht, dass er sich zu irgendetwas verpflichtet fühlte.
Eigentlich wollte ich ihm sagen, dass ich gerne mehr Zeit mit ihm verbringen würde, und dass er hier bleiben könnte, bis ich zurück war, aber ich sagte nichts dergleichen, diese Worte wollten einfach nicht aus meinem Mund kommen.
Er stieg aus dem Bett, zog seine Sachen an und setzte sich zu mir auf die Couch. Mein Körper versteifte sich im selben Augenblick.
»Willst du einen Kaffee?«, fragte ich verlegen, als er mich stumm von der Seite ansah. Ich fühlte mich wieder völlig unsicher, meine Haut spannte, meine Atmung ging unregelmäßig, mir wurde flau auf dem Magen, meine Selbstsicherheit war, entgegen meiner Selbstsuggestion von vor wenigen Minuten, zu einem armseligen Häufchen zusammengeschrumpft.
Wieso nur wirkte er auf kurze Distanz so einschüchternd?
»Kann ich nicht mitkommen?«, fragte er in mein ungläubiges Gesicht. Ich war mehr als sprachlos.
Hatte ich mich gerade verhört?
Was war los mit ihm? Hatte er an einem so schön verregneten, kalten Wintertag nichts Besseres vor? Ich verschluckte mich beinah, so perplex war ich …
»Ich bin eine tolle Gastgeberin, was? Ich hol dir schnell mal einen heißen Kaffee, ja. Finn, du … du kannst gern duschen, wenn du magst, habe leider keine schöne Duschkabine wie Lenny. Außerdem hab ich absolut nichts zu essen da, bin in letzter Zeit nicht zum Einkaufen gekommen, tja. Ich hol dir ein Handtuch, wart mal.«
Ich sprang von der Couch auf, als hätte sich eine bösartige Sprungfeder in meinen Hintern gebohrt. Finn schaute etwas irritiert drein. Um seine Augen herum glaubte ich ein verschmitztes Lächeln zu erkennen, war mir aber nicht sicher.
»Valerie?«
Grübchen!
Also doch.
»Hm?«
»Du benimmst dich wirklich eigenartig.«
»Wie? Moment … hol nur was«, wich ich ihm schnell aus.
Ich verschwand halb in meinem Kleiderschrank und zog mein bestes Duschhandtuch hervor, das ich ihm mit vollem Einsatz meiner Armkraft direkt in den Schoß schleuderte.
»Danke!« Er starrte mich nachdenklich an.
Dann stand er seufzend auf und stapfte brav ins Badezimmer.
Ich lief eilig in die Küche, wo ich mich auf meinem kleinen runden Esstisch abstützte, durchatmete und mich fragte, was meine Eltern sagen würden, wenn ich mit Finn als Überraschungsgast auftauchen würde.
Schließlich entschied ich mich - ich glaubte jedenfalls, dass es eine bewusste Entscheidung war - ihn auf gut Glück mitzunehmen. Außerdem wollte ich von nun an jedem Risiko, das sich vor mir auftat, mit mehr Mut und Zuversicht begegnen. Ich wollte mir die Chance geben, endlich keine Schisserin mehr zu sein und die Dinge einfach auf mich zukommen zu lassen …
Das Handtuch um die schmalen Hüften gewickelt, die nassen Haare zurückgekämmt, saß er nach ein paar Minuten mit geröteten Wangen wieder auf meiner Couch, trank den scheußlichen Kaffee, den ich ihm hingestellt hatte, und rauchte zufrieden eine Zigarette, als wäre er bei sich zuhause.
Ich setzte mich ihm gegenüber auf den Sessel und zog die Beine an. Irgendwie konnte ich ihn kaum ansehen. Diese ganzen Schlüsselreize waren zu viel! Hinzu kam, dass er mir trotz aller Intimität, die wir gehabt hatten, in meiner heimeligen, kleinen und äußerst bescheidenen Bude wie ein deplatziertes, fremdes Schmuckstück vorkam, das unmöglich zu mir gehören konnte …
»Ich ziehe mich gleich an, keine Sorge«, sagte er mit einem verdrossenen Unterton und drückte seine Kippe aus. »Es ist nur, ich bin ein bisschen … confused ... also, verwirrt, wenn
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