SOULMATE (German Edition)
Verbindung.
Eine weitere Stunde später war Sören völlig von der Rolle und aufgekratzt wie ein Kapuzineräffchen auf Speed, weil er von Colette, Louise und Alice behandelt wurde, als sei er einigermaßen gesellschaftsfähig und ein durchaus liebenswerter Kerl, dabei hatten sie ihn sich nur erträglich getrunken. Sören selber hatte stundenlang an einem Tomatensaft genippt, in dem garantiert kein Alkohol war und kritisch auf die Geschehnisse um sich herum gestarrt, bis ihn der Übermut packte und er schließlich auch auf die Bühne schlurfte und den ersten Hit von den ‚Fantastischen Vier‘ - »Die da« - vorzutragen versuchte. Er sah dabei durch seine steife Haltung so grotesk fehlplatziert aus und sang so unwirklich falsch und unrhythmisch, dass das ansonsten sehr tolerante Publikum kurzzeitig in ein betretenes Schweigen verfiel und ungläubig und staunend Sörens einzigartig peinlichen Auftritt bis zum Ende verfolgte. Ich hockte derweil auf einem der unbequemen Hocker und ließ mich von einer sehr mitteilungsbedürftigen Alice zutexten, verstand aber weder akustisch noch inhaltlich auch nur ein einziges Wort, was mir absolut nichts ausmachte, da meine Gedanken sowieso ständig woanders hindrifteten.
Kurz nach Mitternacht erreichte die Stimmung im Laden - ganz im Gegensatz zu meiner eigenen - ihren Höhepunkt, als die jugendliche Truppe gemeinsam »Seven Nation Army« von den ‚White Stripes‘ sang und so ziemlich jeder, der sich im ‚MikroManiac‘ befand, mindestens maximal beschwipst war und eine Menge Krach machte.
Lenny, den ich eine Weile schon nicht mehr auf dem Schirm gehabt hatte, tauchte irgendwann aus dem Trubel wieder auf, krallte sich an meinen Schultern fest und schrie mir ins Ohr: »HEY, VALERIE! SCHAU MAL … WEER … DAAA … KO…OMMT ... HAHA« und tauchte sofort wieder ab, bevor ich ihm etwas entgegnen konnte. Mein Herz reagierte auf seine Ansage mit einem so heftigen Salto, dass ich innerlich zusammenzuckte, während ich mit aufgerissenen Augen hoffnungsvoll in Richtung Ausgang spähte und angestrengt versuchte, in der dichten Menge fremder Gesichter das eine bekannte Gesicht zu entdecken, auf das ich die ganze Zeit voller Ungeduld wartete.
Tatsächlich entdeckte ich ein mir sehr bekanntes und auch attraktives Gesicht: Es gehörte allerdings meiner Schwester Natalie, die hüftschwingend und glitzernd auf uns zugestakst kam und mich gleich mit den Worten »Valerie, was machst du denn für eine Schnute?« begrüßte.
Oh je, was machte ich denn für ein Gesicht?
Doch im nächsten Augenblick ging der unverwechselbare Beat vom »Roadhouse Blues« von den ‚Doors‘ los und mich ergriff die plötzliche Paranoia, dass zu allem Übel auch noch Tom Nowak aus irgendeinem dunklen Winkel hervorspringen könnte.
Wie die meisten sah ich spontan zur Bühne und dank der mir gebotenen Überraschung hyperventilierte ich sofort.
Finn!
Er hatte das Mikrofon mit beiden Händen umfasst und sang:
»Leave your eyes on the road, your hand upon the wheel.
Leave your eyes on the road your hand upon the wheel.
Going to the Roadhouse, going to have a real … a good time …«
Ganz unmerklich hatte sich Patrick mit einem breiten Grinsen an meine Seite gestellt, stupste mich paar Mal mit dem Ellbogen an, klatschte enthusiastisch in die Hände und ließ mich spüren, dass er erleichtert war und sich für mich freute.
»SINGEN KANN ER AUCH NOCH!«, brüllte er mir in die Seite. Ich nickte heftig, weil es absolut stimmte und ich so außer mir war, dass ich nicht sprechen konnte. Patrick packte meine Hand und zog mich hinter sich durch die Menge bis vor die Bühne.
Finns Version vom »Roadhouse Blues« war geradezu sensationell, was keineswegs nur meine voreingenommene, verblendete Meinung war, sondern anhand der überschwänglichen Publikumsreaktion unmissverständlich bestätigt wurde.
Trotz seiner konzentrierten Show entdeckte er mich sofort und winkte mir knapp zu. Ich stand steif und regungslos da und starrte ihn voller Bewunderung mit offenem Mund an, als wäre er ein heißbegehrter Popstar. Er lächelte sein Killerlächeln, kam mit schleichenden Schritten singend auf mich zu und beugte sich von der leicht erhöhten Bühne zu mir herunter:
»… You gotta roll roll roll, you gotta THRILL MY SOUL … alright!«
Er sah mir dabei so eindringlich in die Augen, dass mir heiß und kalt wurde und ich nur noch von dem Wunsch beseelt war, mich mit Stahlketten für immer an ihn zu fesseln,
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