SOULMATE (German Edition)
euren Kollegen meine ich doch«, antwortete sie viel zu laut.
»Er ist kauzig, aber ich glaube, ansonsten ist er in Ordnung, stimmt‘s Colette?«
Ich sah zu Colette rüber, die gerade die letzten Schlucke von ihrem Rotwein hinunterkippte und dabei mit der Hand wedelte. Dann sagte sie: »Oui, ja ja, komisch iest err, abeer okay komisch, err ist sischeer etwas einsam und kein Casanova, non, tut mirr leid.«
Wir lachten alle und stießen mit unseren Getränken an, und Patrick verkündete, dass nach dieser Runde wirklich Schluss sei, es sei ja schon fast 04.00 Uhr und der Laden würde auch bald dichtmachen. Er und Lenny müssten wenigstens ein paar Stunden schlafen, und außerdem noch ihr Proviantzeugs einpacken, weil man inzwischen auf den Flügen nur Mist zu essen kriege und viel zu wenig dazu, und sie würden von Patricks Wohnung aus mit dem Taxi zum Flughafen fahren, was bedeutete, dass Lenny bei Patrick schlafen sollte und Lennys Sachen noch abgeholt werden mussten …
Meine Ohren wurden daraufhin ganz spitz!
Als wir im Begriff waren, uns aufzulösen und Colette und ich, aus einem unsinnigen Verantwortungsgefühl heraus, nach Sören zu suchen begannen, zog mich Natalie zur Seite und flüsterte mir verschwörerisch ins Ohr, ich solle sie zur Toilette begleiten. Dort angekommen machte sie ein ernstes Gesicht und sagte, sie habe sich Finn genau angesehen, er sei ein ziemlich anziehender Typ, ja, er sei diese ganz bestimmte Sorte, und sie habe da kein gutes Gefühl.
»Was soll das bedeuten ‚kein gutes Gefühl‘?«, fragte ich sie verstört und versuchte den aufkeimenden Ärger in mir nicht zu zeigen. Wir hatten uns schließlich wegen einer banalen Auseinandersetzung schon ewig nicht mehr gesehen, und ich wollte, dass wieder Frieden zwischen uns herrschte und unsere Eltern sich keine Sorgen mehr machten.
»Ich kann es dir nicht genau sagen, Valerie, aber ich habe das Gefühl, dieser Typ ist ganz undurchsichtig, ich mein, als hätte er ein Geheimnis oder so. Ich habe ihn beobachtet, weißt du. Wenn du mich fragst, plagt ihn irgendwas oder keine Ahnung, aber ich hab ein komisches Gefühl!«
Ich starrte sie verblüfft an. »Ein komisches Gefühl?« Ich war so stinksauer, am liebsten hätte ich sie zur Seite geschubst und wäre einfach rausgestampft.
»Hm, ich meine, dass er irgendwie nicht authentisch ...« Sie beendete ihren Satz nicht und sah mich unsicher an. »Ach, na ja, vielleicht übertreibe ich auch, vergiss es einfach, in Ordnung, sorry, mein Psychostudium ist schuld, wirklich. Wir machen gerade diese ganzen Persönlichkeitsmacken und Traumatisierungen durch. Ich sehe nur noch gestörte Leute um mich herum, sorry, Valerie, ja?«
Ich nickte widerwillig.
»Du hast ihn doch nur einmal, nurheute Abend erlebt«, sagte ich entrüstet. »Ich weiß nicht, weshalb du auf so Begriffe wie ‚undurchsichtig‘ kommst und er sei nicht ‚authentisch« und lauter so ein Blödsinn. Ich versteh das echt nicht. Wie kann man denn so schnell ein Urteil über jemanden fällen? Kommt mir so vor, tja, als könntest du mir einfach nichts gönnen!« Jetzt klang ich beleidigt und kleingeistig.
Natalie sah mich bestürzt an und änderte ihren Tonfall in ein verzweifeltes Flehen: »Oh nein, bestimmt nicht, Valerie, bitte vergiss alles, was ich gesagt habe, bitte! Ich habe aus dem Bauch heraus geredet, tut mir echt leid. Wir werden sehen, ja? Nein, ich meine, ich war zu voreilig, tut mir wirklich leid, bitte? Ich entschuldige mich, hörst du! Entschuldige! Ich wollte dich wirklich nicht verunsichern, okay?« Sie sah mich mit ihren großen Augen an wie eine eingebildete Eule, die nachgab und trotzdem glaubte, alles besser zu wissen.
»Mhm.« Ich versuchte mit größter Mühe, mich nicht weiter wegen Natalies »ungutem Gefühl« aufzuregen und mich wieder auf meine gute Laune zu besinnen.
Wir gingen wie Fremde schweigend hintereinander hinaus.
Inzwischen hatte Colette Sören aufgestöbert und wartete mit ihm am Tresen, beide sahen ungeduldig aus. Patrick und Lenny sprachen mit Kai und Samantha, die viel lachten und gestikulierten. Doch wo war Finn? Und wo waren Louise und Alice?
Ich sah mich suchend um und traute meinen Augen kaum: Alice tanzte eng umschlungen mit dem langmähnigen Marineuniformtypen, der seinen Kopf zärtlich auf ihre üppige Brust gelegt hatte und mit ihr zu einem Song, der offenbar »Sunshine Reggea« hieß und von einer klitzekleinen Asiatin mit niedlicher englischer Aussprache gesungen wurde, hin und
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