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Souvenirs

Souvenirs

Titel: Souvenirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foenkinos
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zwar hauptsächlich aus diesem Grund: Er war der Erste, der mit mir wie mit einem Schriftsteller redete. Solche Wertschätzung zu erfahren, war für mich, dem es doch sehr an Ehrgeiz mangelte und der auf seine Erfolgsaussichten keinen Centgewettet hätte, ein komisches Gefühl. Kam er auf Literatur oder auch auf Politik oder Geschichte zu sprechen, sagte er zu mir: «Du bist Schriftsteller, als Schriftsteller musst du das wissen.» Ich war mir nie ganz sicher, wovon er überhaupt sprach, aber was auch geschah, er ließ sich in seiner hohen Meinung von mir nicht beirren.
     
    Er fragte mich, worum es ging in meinem Roman. Aber auf sehr zurückhaltende und unaufdringliche Art:
    «Wenn du mit mir nicht drüber sprechen willst, kann ich das sehr gut verstehen. Ihr Schriftsteller seid Geheimniskrämer. Das weiß ich schon.»
    «…»
    «Also wenn du meine Meinung hören willst, dann solltest du einen historischen Roman schreiben. Die gehen immer ganz gut weg. Der Zweite Weltkrieg, da stehen die Leute drauf. Der Holocaust, der haut doch voll rein.»
    «Aha … danke für den Tipp. Ich werd mal drüber nachdenken.»
    Ich traute mich nicht, ihm zu sagen, dass ich schon etliche Male versucht hatte, einen Kollaborationsroman zu schreiben. Einen Roman über die letzten Tage der Kollaborateure vor den Säuberungen. Als all die mickrigen Anführer der Besatzungszeit plötzlich wie Tiere gehetzt wurden. Zur Flucht von Robert Brasillach, der sich zum Schluss in einer Dachkammer versteckt hielt, hatte ich mir zahlreiche Notizen gemacht. Man hatte seine Mutter verhaftet, um ihn dazu zu bewegen, sich zu stellen. Ich war in Gedanken ganz oft bei jenen Tagen, in denen der Umsturz erfolgte. Unddann hatte ich versucht, die Szene zu beschreiben, in der de Gaulle allein in seinem Büro sitzt und über Brasillachs Schicksal entscheidet. Ihn zum Tode verurteilt. Meine Gedanken waren bei dem großen General, dem tapferen Soldaten, der für ein freies Frankreich gekämpft hatte, Regierungschef geworden war und sich nun plötzlich in einer Situation wiederfand, in der er vom Schreibtisch aus jemanden einen Kopf kürzer machen konnte. Allein wegen dieser Szene hatte ich Lust, diesen Roman zu schreiben. Ich ließ sie mir so lange durch den Kopf gehen, bis es unmöglich wurde, sie zu Papier zu bringen. Besessenheit ist kontraproduktiv. Das gilt übrigens auch für Frauen. Außerdem hatte ich mir zu viele Notizen gemacht. Ich merkte, ich war mit Unterlagen überfrachtet. Immerhin diente mir das als Vorwand, um das Projekt hinzuschmeißen. Und man braucht einen guten Vorwand, wenn man einer Sache ein Ende bereiten will, an dem man sich nicht eingestehen muss: «Ich kriege es einfach nicht hin.»
     
    Eines Abends brachte mir Gérard einen Ventilator (mein Chef hatte mir angeboten, ihn beim Vornamen zu nennen):
    «Ich kann dich nicht unter solchen Bedingungen arbeiten lassen. Man kommt sich ja vor wie in der Métro. Zur absoluten Stoßzeit.»
    «O ja, das kann man laut sagen.»
    «Oder wie in der Sauna. Es ist, als ob man in einer Sauna eingesperrt wäre.»
    «Ach ja, stimmt. Daran erinnert es auch.»
    «Oder wie in der Wüste von Nevada! Genau, jetzt habich’s. Weißt du, da gibt es ein Tal, man nennt es das Tal des Todes. Da hält es keiner aus. Man erstickt förmlich. Und wehe, wenn dir da das Benzin ausgeht.»
    Ich kapierte nicht, wieso er unsere Hitze unbedingt mit einer anderen Hitze vergleichen musste. Sie war indes durchaus extrem, erdrückend, unvergleichlich. Es war die Zeit, die sich in das kollektive französische Gedächtnis als Rekord-Gluthitze einbrennen sollte. Ich bedankte mich für den Ventilator. Es war reizend von ihm, mitten in der Nacht hereinzuschneien, um meine Arbeitsbedingungen zu optimieren. Er nahm das Gerät in Betrieb und ließ sich in dem großen Sessel im Foyer nieder. Dann setzte er sich auf das kleine Sofa auf der anderen Seite des Raums. Schließlich stand er erneut auf, um sich an der Rezeption zu postieren. Er wirkte unentschlossen. Ich fragte mich, was er vorhatte.
    «Er macht richtig gut Wind, dieser Ventilator. Und der Luftstrom verteilt sich großflächig im Raum. Man spürt überall eine sanfte Brise. Also das ist echt ausgezeichnete Ware.»
    «Ja, stimmt, das ist angenehm.»
    Ich wusste nie, wie ich die Konversation mit ihm aufrechterhalten konnte. Ich fühlte, er versuchte, ein freundschaftliches Einvernehmen herzustellen, aber ich war unfähig, die Unterhaltung durch Fragen in Schwung zu halten. Auf jeden

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