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Souvenirs

Souvenirs

Titel: Souvenirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foenkinos
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fragte ihn, wie er auf den Satz gekommen war:
    «Wenn man so improvisiert, kann man meist nicht genau sagen, worauf die Sätze zurückgehen, die einem zufliegen. Die Herkunft dessen, was uns inspiriert, lässt sich nicht immer so leicht bestimmen …»
    «Ach so …»
    «Aber in dem Fall kann ich mich erinnern. Das ist eine Geschichte, die mir eine Freundin erzählt hat. Den Satz hat ein Typ zu ihr gesagt, der sie auf der Straße angesprochen hat.»
    «Ach tatsächlich?», stammelte mein Vater.
    «Ja, ein etwas komischer Kauz, nach dem, wie sie es geschildert hat. So eine Art Psychopath. Ich war allerdings ganz anderer Meinung. Ich fand den Satz nämlich genial. Und ich hab zu ihr gesagt, dass der Typ einmalig sein muss.»
    «Danke …»
    «Wieso danke?»
    «Äh … nur so …»
    Mein Vater erkundigte sich, wie diese Freundin aussah. Die Beschreibung traf zu. Auf ganz wunderliche Weise hatte er die Fährte seines Mädchens wiedergefunden. Es war wie in einem Roman. Nach kurzer Bedenkzeit wagte er denVorstoß (es kostete ihn übermenschliche Überwindung, alle zu duzen, aber Agathe hatte ihm erklärt, dass sich beim Theater alle duzten):
    «Ich weiß, es ist vielleicht eine etwas komische Frage … aber kannst du mir dieses Mädchen vorstellen?»
    «Aha, wieso?»
    «Ich schreibe ein Buch … das heißt … es ist eigentlich kein richtiges Buch … mehr so eine Sammlung von Notizen … ich sammle Informationen … über Mädchen, die auf der Straße angesprochen werden. Das hat mich immer neugierig gemacht … Ich bitte die Mädchen, mir die besten Geschichten zu erzählen, die sie erlebt haben … frage, was die Typen für Sprüche draufhaben … und ob sie schon einmal mit einem Unbekannten Kaffee trinken gegangen sind …»
    «Ach … das ist ja ein schönes Thema», meinte der Schauspieler, der ganz interessiert schien, im Gegensatz zu Agathe, die ihr ausdrückliches Erstaunen bekundete.
    «Was? Du schreibst? Ausgerechnet du?»
    «Na ja … manchmal …»
    «Echt? Ausgerechnet du? Du schreibst?», wiederholte sie hölzern.
    Mein Vater musste also einsehen: Er gehörte zu jener Spezies, denen man literarische Ambitionen so wenig zutraute wie eine Eroberung des Mars auf dem Rücken eines Kamels. Er ließ sich allerdings nicht aus dem Konzept bringen.
    «Ja … ich schreibe … na und? Es gibt Bankiers, die gerne schreiben. Soweit ich weiß, schließen beide Tätigkeiten sich nicht gegenseitig aus.»
    «Schon gut … reg dich nicht auf … mich wundert das bloß ein bisschen, sonst nichts.»
    Mein Vater war von seinem selbstsicheren Auftreten selbst überrascht. Als fristete er ein dumpfes und träges Dasein, doch sobald es um meine Mutter ging, erschlossen sich ihm Mittel und Worte, die ihn alle möglichen Situationen meistern ließen. Er glich einem Superhelden, dessen einzige Mission es war, das Herz dieser Unbekannten zu erobern. Er hatte für Agathe eine überzeugende Antwort parat gehabt, und er hatte vor allem die absolut glaubhaft wirkende Idee mit dem Buch gehabt. Der Schauspieler gab ihm die Telefonnummer meiner Mutter, und mein Vater rief an, um ein Rendezvous zu vereinbaren.
     
    So saßen sich meine Eltern in einem Café gegenüber. Meine Mutter hatte den Spinner, der sie angesprochen hatte, sofort wiedererkannt. Und nun, nachdem er diese Geschichte mit dem Interview für ein Buch erfunden hatte, kam er ihr noch viel verrückter vor. Jedoch, ein bisschen so wie zwei Minus ein Plus ergeben, ergaben die beiden kongruierenden Verrücktheiten eine positive Summe. Die Sache war derart schrill, dass meine Mutter eher neugierig wurde, als dass sie sich irgendwelche Sorgen machte. Außerdem befanden sie sich in einem Café: Was konnte ihr schon passieren? Obendrein, und dies ist ein nicht zu vernachlässigendes Element, regte sich in ihr ein unvermeidlicher narzisstischer Instinkt, ein Instinkt, den jede normal strukturierte Frau hat, die sich einem Manne gegenübersieht, der solche Listen ausheckt, um sie wiederzusehen. Sie begann also, dieser Geschichteetwas Schönes abzugewinnen, und dies umso mehr, da mein Vater sich offenbar anschickte, sie mit rührender Unbeholfenheit zu erzählen. Er schilderte den Augenblick, in dem er sie aus der Kirche hatte kommen sehen, und die Stunden, in denen er sich so danach gesehnt hatte, ihr erneut zu begegnen. Meine Mutter wollte es noch genauer hören und noch genauer, sodass das Verlangen, das sie entfacht hatte, die Gestalt eines russischen Romans annahm. Sie ließ sich

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