Spademan: Thriller (German Edition)
Straßen mit demselben Namen. Eine Avenue, eine Lane.
Sie hatten die falsche erwischt.
Meine Mutter hat alles versucht. Sie war Krankenschwester. Allerdings keine von denen, die Nährlösungsschläuche in reiche Leute stöpselt.
Damals war ich schon mit meiner Stella verheiratet. Ein Jersey-Girl, das sich geschworen hatte, niemals freiwillig in Jersey zu leben. Ich schlug Queens vor. Sie Manhattan. Wir schlossen einen Kompromiss und landeten in Brooklyn. In Carroll Gardens. Im Süden, unten am Expressway. In dem Teil, der nicht so gartenmäßig ist.
Meine Eltern wollten Enkel. Wir versuchten es, hatten es aber nicht eilig. Irgendwann hatten wir es lange genug probiert, um uns schließlich doch Sorgen darüber zu machen, dass vielleicht irgendwas nicht ganz in Ordnung sein könnte. Aber nach einer Weile beschlossen wir, uns deswegen keinen Kopf mehr zu machen. Wir waren jung. Meine Stella wollte Schauspielerin werden. Sie fuhr jeden Tag mit dem Zug zum Times Square. Zum Schauspielunterricht in ein schäbiges Studio. Die Hälfte meines Gewerkschaftslohns ging dafür drauf.
Meine Tour führte durch den oberen Teil von Brooklyn zu den Stadthäusern aus braunem Sandstein. Eine deutlich gepflegtere Nachbarschaft, als wir sie uns leisten konnten. Auch gepflegterer Müll.
Die Jungs in meinem Mülllaster erfanden einen Spitznamen für uns. Wir waren keine Müllmänner.
Sondern die Abfallbutler.
Es klingt rührselig, ist aber wahr. Beim Müllkutschieren lernt man was übers Leben.
Lektion eins: Kaufen Sie niemals billige Müllsäcke. Die reißen immer. Wenn nicht in Ihren Händen, dann in meinen. Keine Billigmülltüte wurde jemals zu Grabe getragen, ohne von lautstarken Flüchen begleitet zu werden.
Lektion zwei: Es gibt nichts und niemanden in diesem Leben, an dem Ihr Herz hängt und das oder der nicht eines Tages auch entsorgt wird.
Oder Sie entsorgen lässt.
Oder Sie sterben vorher.
Das sind die drei einzig möglichen Endergebnisse.
Ein Barkeeper aus meiner Bekanntschaft hat mal ein Gedicht zitiert. Von einem Typen namens Idol oder so ähnlich.
Alle Menschen, die je gelebt haben, sind gestorben, außer den Lebenden.
Lektion drei: Sie hinterlassen auf dieser Welt einen gewaltigen Haufen Müll, der bei Weitem alles übertrifft, was sie an wirklich Wertvollem hinterlassen. Auf jedes Gramm kostbares Familienerbe kommt gleichzeitig eine Tonne Schutt.
Das stammt nicht von einem Dichter. Das stammt von mir.
Tja, was soll ich sagen? Manchmal hockt man auf dem Klo, hat alle Magazine ausgelesen, und dann kommt einem so eine Inspiration.
Aber das ist die Moral von der Geschichte: Ihr wahres Vermächtnis wird irgendwo auf einer Mülldeponie verscharrt.
Und je reicher Sie sind, desto mehr Müll hinterlassen Sie.
Nach den ersten Anschlägen, denen vom 11. September, hat man, so heißt es, den Schutt der Türme auf eine Mülldeponie geschafft.
Nach Fresh Kills auf Staten Island.
Dort hat man auf der Suche nach Leichen den ganzen Schutt durchwühlt. Auf der Suche nach Leichenteilen. Nach Teilen von Leichenteilen. Sie haben ihr Bestes getan und so viel rausgefischt wie möglich, den Rest haben sie dringelassen und mitbegraben.
Wahre Geschichte.
Die Mülldeponie wurde zum Friedhof.
Der Mülldeponie ist das egal.
Zwischen den beiden Orten besteht genau genommen ohnehin kaum ein Unterschied.
Natürlich kann jeder Müllmann witzige Geschichten erzählen über den Kram, den er bei der Arbeit gefunden hat. Falsche Zähne, einen brandneuen Flachbildschirm, noch in der Originalverpackung, eine Beinprothese, ein ausgestopftes Frettchen. Oder ein doppelendiger Dildo schaltet sich ein, springt aus dem Müllbeutel und windet sich wie ein Zitteraal. Solches Zeugs eben.
Manchmal wissen die Leute nicht wohin mit bestimmten Sachen und schmeißen sie in den Müll. Waschen ihre Hände in Unschuld. Erwarten, dass sie auf die Art einfach verschwinden. Wie bei einem Zaubertrick.
Jeder Müllmann kennt so eine witzige Geschichte.
Hier ist meine.
Wir fuhren damals eine Route, die eine Schleife um die Bauhöfe an der Columbia Street beschrieb. Keine sechs Blocks vom Long Island Hospital entfernt. Wir waren gerade fertig mit der Tour und auf dem Rückweg.
Ich stand hinten auf dem Müllwagen. Wie ein Wachmann auf einer Wells-Fargo-Postkutsche.
Wir rollten an drei Müllsäcken vorbei, die jemand auf ein leeres Grundstück geworfen hatte. So wie sie dalagen, sahen sie aus wie Dim-Sum-Klößchen. Sie waren illegal entsorgt worden. Die
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