Spademan: Thriller (German Edition)
Harrow bedauert unser Missverständnis und würde sich sehr gerne mit Ihnen treffen. Wir hoffen, dass sich diese Angelegenheit zeitnah und auf freundschaftliche Weise regeln lässt. Bitte kontaktieren Sie mich direkt unter der unten angegebenen Nummer.
Die Unterschrift stammt von jemandem namens Milgram.
Die Nachricht behalte ich in der Handinnenfläche, die Sonnenbrille schiebe ich in meine Jackentasche.
Dann schließe ich die Tür auf.
Diese Formulierung gefällt mir.
In gutem Glauben.
TEIL ZWEI
16
Wir befinden uns in einem Weizenfeld.
Hüfthohe Halme rascheln einvernehmlich, wie eine kniende, Gebete flüsternde Kirchengemeinde. Ich strecke beide Hände aus, streiche über die Spitzen der Ähren und fühle, wie die Grannen meine Handinnenfläche kitzeln.
T. K. Harrow geht neben mir her.
– und das Wunderbarste daran ist, wir können daraus machen, was immer wir wollen. Dieses Reich ist uns als ein zweites Eden gegeben. Gott hat uns einst nach seinem Ebenbild geschaffen, und jetzt stellt er uns die Werkzeuge und das Wissen zur Verfügung, um uns selbst nach seinem Ebenbild neu zu erschaffen.
Eine weiße Schindelkirche auf einem Hügel.
Kirchturmglocken heißen uns willkommen.
Harrow wandert darauf zu, einen halben Schritt vor mir.
Sehen Sie, das da ist genau die Art von Kirche, mit der ich aufgewachsen bin. Klein. Gemütlich. Jeder kannte jeden. Man konnte nicht nach links oder rechts blicken, ohne dass jemand den Blick erwiderte, mit einem raschen Lächeln oder einem freundlichen Wort. Ich meine, verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin wirklich dankbar für die vielen Segnungen, die mir zuteil geworden sind. Aber manchmal denke ich an die Welt, die wir uns heute errichten, und was uns dabei verloren geht.
Die Kirchentür steht einen Spalt offen. Wir treten ein. Roh gezimmerte Bankreihen auf einem mit breiten Holzplanken ausgelegten Fußboden. Sonnenlicht schimmert durch Buntglasfenster.
Hinter dem Altar hängt ein schlichtes, schweres Kruzifix.
Lebensgroß.
Harrow nimmt in der vordersten Reihe Platz und bedeutet mir, mich neben ihn zu setzen.
Es tut mir leid, dass wir uns nicht persönlich treffen können. Aber so ist es doch weit angenehmer, finden Sie nicht?
Er hätte sich mir in jeder von ihm selbst gewählten Gestalt präsentieren können. Als Schlange, Erzengel Gabriel oder einfach als T. K. Harrow, so wie er vor vierzig Jahren aussah, noch voller Kraft und Höllenfeuer. Aber er erscheint hier mehr oder weniger so, wie er tatsächlich aussieht, so wie ich ihn auf der Leinwand in der Radio City Hall erlebt habe. Groß, wettergegerbt, borstiges graues Haar, dünn wie eine Vogelscheuche, ein sanftmütiges Gesicht, wenn er sanftmütig sein will, das jedoch ebenso schnell wieder den Ausdruck herrischer Selbstgerechtigkeit annehmen kann. Der einzige kleidungsmäßige Luxus, den er sich erlaubt, ist ein Anzug bei seinen Fernsehauftritten. Hier trägt er Flanell und Wolle. Arbeitskleidung.
Was mich betrifft, so sehe ich aus wie immer. Wie ein Müllmann.
Harrow klopft mir auf die Schulter, mit einer vom Alter gekrümmten Hand, die Finger fragil wie ein verwundeter Vogel. Trotzdem, sein Griff ist immer noch fest.
Als ich noch jung war und oft in einem Kirchengestühl saß, das kaum komfortabler war als dieses hier, in einer Kirche, die dieser stark ähnelte, da war das Erschreckendste für mich nicht der Tod oder der Lohn der Ungerechtigkeit oder der Zorn des allmächtigen Gottes. Nein, es war das Starren von Miss Savonarola.
Harrow kichert angesichts der Erinnerung.
Sie war unsere Kirchorganistin. Eine winzige Frau. Sie hockte immer an der elektrischen Orgel, genau hier oben.
Er deutet mit einem gekrümmten Finger auf den Altar.
Sie saß der Gemeinde zugewandt und konnte kaum über die Orgel hinwegspähen. Trotzdem erinnere ich mich an ihre Augen. Sie waren wie zwei glühende Zwillingsmonde, die flach über dem Horizont hängen. Und das Komische an Miss Savonarola war, dass sie vor der Messe der netteste Mensch der Welt war. Sie begrüßte einen an der Tür, steckte einem Süßigkeiten aus der tiefen Tasche ihres Kleids zu, wenn man ihr versprach, den Eltern nichts davon zu erzählen. Aber dann, während des Gottesdienstes, passierte etwas. Sie verwandelte sich. Man konnte sich in der hintersten Bankreihe verkriechen, tief geduckt, das Spielzeug im Schoß versteckt, es war egal. Wenn man irgendwelchen Unfug trieb, während der Pastor predigte, dann sah sie das. Und dann wartete sie nach
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