Spademan: Thriller (German Edition)
Anspruch auf den Beifahrersitz an. Ich halte die Hecktür für die Lady und ihre Einkaufstüten auf.
Sie hebt eine Augenbraue.
Ist das zufällig ein Blind Date, das du für mich arrangiert hast?
Eigentlich nicht. Ihr beiden seht aus wie Bruder und Schwes ter.
Schon klar. Wie unanständig. Du könntest uns dabei zuschauen.
Das tut weh. Mehr als es eigentlich sollte.
Ich sage ihr, sie soll auf ihren Arm aufpassen, bevor ich die Tür schließe. Dann beuge ich mich vor.
Nichts gegen dich, aber du bist nicht sein Typ.
Warum nicht?
Er lebt zölibatär. Freiwillig.
Sie lächelt.
Das ist alles? Das spielt keine Rolle. Ich kenne eine Menge Zölibatäre, die schwach geworden sind.
Ach ja?
Worauf du wetten kannst. Ich habe selbst einige von ihnen schwach werden lassen.
Wir fahren mit der Mietlimousine nach Norden zu Marks Apartment im ehemaligen Trump Tower am Columbus Circle. Dies ist kein Ruftaxi aus Brooklyn. Kein verrosteter Crown Victoria. Sondern eine schwere kugelsichere Limo, schwarz und elegant wie ein Seelöwe.
Der Geigerzähler auf dem Armaturenbrett beginnt zu klicken, und der Fahrer umrundet den Times Square in einem weiten Bogen. In diesen östlich gelegenen, nach Uptown führenden Avenues könnte man fast meinen, Manhattan sei noch ganz das alte und nur ein wenig menschenleer, so wie früher an einem verschlafenen Sommertag. Vereinzelte Passanten. Ab und zu ein gelbes Taxi. Grelle Plakate in den Schaufenstern, die bombige Sonderangebote ankündigen.
Doch dann durchqueren wir Midtown, das wie eine Geisterstadt daliegt. Nur Müll und leere Geschäfte, die schon vor Langem geplündert worden sind. Keine bombigen Sonderangebote mehr. Nur noch ausgebombt.
Allein schon das Fehlen der Touristen macht die Gegend unheimlich. Keiner schießt mehr Fotos, hantiert umständlich mit Stadtplänen, begafft die Wolkenkratzer, watschelt in Reisegruppen dahin, verstopft die Straßen, während die Kinder hinterhertrödeln, an ihrem Softeis lecken und eine Freiheitsstatuen-Krone aus meergrünem Schaumstoff tragen.
Inzwischen gibt es auf den Gehwegen jede Menge Platz für alle, vorausgesetzt, jemand würde noch dort gehen wollen.
Kein Verkehr.
Die Straßen sind leer.
Was vor allem an den Autobomben liegt, schätze ich.
Noch immer geht gelegentlich mal eine Autobombe hoch. Das Werk etwas weniger ambitionierter Nachahmungstäter. Es ist inzwischen ziemlich leicht, so was durchzuziehen, da sich keiner mehr groß um die Straßen kümmert.
So sind sie lediglich zu einer weiteren Unannehmlichkeit des Lebens in der großen Stadt geworden.
Und man zuckt jedes Mal ein bisschen weniger zusammen, zumindest wenn man nicht in unmittelbarer Nähe steht.
Die eine Hälfte ist geblieben, die andere abgehauen.
So einfach ist das.
Und nicht alle, die geblieben sind, verstecken sich in ihrem Penthouse. Manche stehen noch als Verkäufer hinter dem Tresen, spülen Geschirr, bügeln die Wäsche, putzen die Häuser der Reichen und fahren Busse oder Taxis. Sie sind entweder nach den letzten Anschlägen zurück nach Manhattan gezogen oder pendeln nach wie vor in kaputten Zügen aus den Vororten in die Innenstadt. Sie sind entweder zu dumm oder zu arm oder zu zuversichtlich, um alles hinzuschmeißen, ihre Sachen zu packen und sich vom Acker zu machen wie die anderen. Hartnäckige Ewiggestrige, die sich weigern, die Stadt sterben zu lassen.
Wie dem auch sei.
Es ist kein Hexenwerk – nur eine einfache Rechenoperation.
Wenn man eine Stadt halbiert, bleibt eine halbe Stadt übrig.
Obwohl man die, die nicht mehr da sind, genauso deutlich spürt wie die, die geblieben sind.
Der Fahrer hält vor dem Gebäude und wartet, bis wir es betreten haben.
Der Trump Tower. Ein in den Himmel ragender gläserner Schandfleck. Benannt nach Donald Trump, versteht sich. Der ist schon lange tot. Das Erste, was die Kids machten, nachdem sie ihr Lager im Central Park aufschlugen, war, seine Statue vom Sockel zu zerren und ihr ein Frauenkleid überzuwerfen. Als ich die Statue zum letzten Mal gesehen habe, stand sie auf dem Dach eines Doppeldeckerbusses, der unaufhörlich im Kreis um den Park kutschiert.
Mark wohnt zwar nicht im Penthouse, aber immerhin knapp darunter. Keine Ahnung, wie er sich das leisten kann. Er hat wohl irgendeinen geheimen Deal mit einem anonymen Mäzen. Allerdings hält er sich in dieser Beziehung ziemlich bedeckt, und ich frage auch nicht weiter nach.
Von seinem Wohnzimmerfenster aus betrachten wir die Camps im Central Park.
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