Späte Familie
geworden, obwohl ich ihn nicht retten konnte, und während derganzen Zeit trinken wir Whisky mit Eiswürfeln und essen Sandwiches von einem Keramikteller, und unsere fettigen, mit Gewürzen verschmierten Finger berühren das alte Papier, berühren fast einander, und ich lausche seiner ruhigen Stimme, seine Zunge verheddert sich manchmal zwischen seinen Zähnen zu einem sympathischen Sprachfehler, seine Lippen formen die Wörter so langsam, als hätte er einen Pinsel im Mund und malte sie, sie dehnen die letzten Buchstaben, als fiele es ihm schwer, sich von den einzelnen Wörtern zu trennen. Es ist nicht der fieberhafte Wortschwall Amnons, sondern ein ganz anderer Redestrom, bildhaft und weich, dem ich mich ohne Zögern anschlieÃen kann, manchmal stelle ich eine kurze Frage und bekomme eine lange Antwort, und ich verstehe, dass er nur über jene Familie sprechen möchte, er wird mir nur diese Fotos zeigen und nichts von seiner jetzigen Familie sagen, nichts darüber, was ich vorhin mitgehört habe, aber ich dränge ihn nicht, diesmal ist mir klar, wie kostbar diese Zeit ist, kostbar und kurz, flüstere ich, als er aufsteht, um zur Toilette zu gehen und ich ungeduldig auf seine Rückkehr warte, was macht es mir aus, worüber wir sprechen, Hauptsache, wir sind hier, zusammen, und als er zurückkommt und sich wieder mir gegenüber hinsetzt, stöhnt die Plastikplane, die über den Hof des Cafés gespannt ist, laut auf, denn plötzlich hat es angefangen zu regnen, und Oded, über das Album gebeugt, schaut sich erstaunt um, ich habe keinen Mantel mitgenommen, fällt ihm ein, interessant, was das bedeuten mag, dass ich das Haus mitten im Winter ohne Mantel verlassen habe.
Vielleicht heiÃt das, dass du es verlassen hast, um zurückzukehren, schlage ich vor, und er betrachtet mich konzentriert, als suche er die Antwort in meinem Gesicht, dann seufzt er, nein, und sein Seufzer dehnt das kurze Wort, bis es sich auf seinen Lippen ausbreitet wie ein Weinfleck aufeiner Tischdecke, ich kehre nicht zurück, und ich beuge mich über den Tisch zu ihm hinüber, meine Hand berührt fast den grauen Ãrmel, der häusliche Geruch von Waschmittel steigt mir in die Nase, ein herzzerreiÃend häuslicher Geruch, hör zu, Oded, sage ich schnell, das ist wirklich lächerlich, dass ich dir Ratschläge gebe, wir kennen uns kaum, und du bist hier der Psychiater, aber ich muss dich warnen, vielleicht bin ich nur deshalb hier, um dich zu warnen, du hast keine Ahnung, wie schwer es ist, eine Familie auseinander zu reiÃen, wenn man es noch nicht durchgemacht hat, weià man überhaupt nichts, es erschüttert die Grundmauern, es lässt dich starr vor Trauer zurück, glaub mir, ich habe es gerade hinter mir, ich rate niemandem, es zu tun, es sei denn, du hast wirklich berechtigte Gründe dafür, und er nickt auch noch, als ich schon schweige, welches sind deiner Meinung nach wirklich berechtigte Gründe, fragt er interessiert, und ich überlege, ob er mich prüfen will oder sich selbst.
Wenn die Verhältnisse so schlimm sind, dass sie den Kindern schaden, sage ich, wenn dir klar ist, dass du alles getan hast, um die Beziehung zu retten, wenn ihr euch zusammen elend fühlt und seit Jahren keinen angenehmen gemeinsamen Moment erlebt habt, oder wenn du eine ernsthafte Beziehung zu einer anderen Frau hast und überzeugt bist, dass es mit ihr anders sein wird, das sind Fragen, über die man lange nachdenken muss, gut, das ist wirklich lächerlich, und ich schweige verwirrt, schau mich an, ich gebe einem Psychiater gute Ratschläge, und er lächelt vorsichtig, täusch dich nicht, Ella, das ist nicht lächerlich, ich bin es, der hier lächerlich ist, und dann hebt er das Glas an die Lippen, nimmt langsam einen Schluck und lässt ihn einen Moment lang im Mund, als prüfe er die Qualität, gut, sagt er, ich habe den Eindruck, dass ich berechtigte Gründe habe, auchnach deinen Kriterien, und ich senke sofort den Blick, vermutlich ist es der letzte Grund, den ich angeführt habe, er hat eine andere und geht ihretwegen weg, Michal hat Recht, er betrügt sie, und einen Moment lang habe ich das Gefühl, als würde er auch mich betrügen, gleich wird er seine alten Alben in seinen Rucksack packen und zu ihr gehen und mit ihr eine neue Familie gründen, und vielleicht werde ich sie sogar bei der Abschlussfeier der ersten Klasse
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