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Späte Familie

Späte Familie

Titel: Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Spaß mit ihnen gemacht, ich versuche, meine Enttäuschung zu verbergen, und er sagt, es hat mir Spaß gemacht mit Jotam, sogar seine Schwester ist ziemlich nett, aber jetzt macht es mir Spaß mit dir allein, fügt er hinzu und verliert kein Wort über ihren Vater, und ich sage, mir macht es auch Spaß mit dir, Gili, seine Unschuldlässt mein Herz erzittern, er kann sich ja gar nicht vorstellen, wie selten solche Momente sein werden, bald werden sie nur noch eine ferne Erinnerung sein, und während wir mit weichen Schritten die Pfade unserer Routine betreten, meine ich fast unwillkürlich das Geläut der Abschiedsglocken zu hören. Noch ein Abschied, mein kleiner Junge, einer, der aufregender ist als der erste, ein Abschied von dem Leben, das nur uns beiden gehört. Wir haben versucht, eine neue Siedlung über den Trümmern der alten zu errichten, wir haben Lehm der nahen Flussläufe zu Ziegeln geformt, Steine für das Haus aus einem Steinbruch gehauen, ein Dach aus gefällten Bäumen gezimmert, unsere bescheidenen Errungenschaften werden vor dem Glanz der Vergangenheit immer verblassen, und trotzdem werden wir hier eine Art Ordnung aufbauen, zerbrechlich, aber vertraut.
    Mit schwerem Herzen sitze ich an seinem Bett, wieder tritt er nach der Decke, breitet seine Arme aus, die Pyjamajacke spannt sich über seiner Brust und lässt seine schmalen Hüften sehen, die Vertiefung seines Nabels, seine vorstehenden Rippen, die Muttermale, die über seine Haut verstreut sind wie Sterne am Himmel, sein Gesicht wird von den drei Nachtlichtern beleuchtet, seine üppigen Locken, die es umrahmen, er ist wieder schön, sag mir, mein Sohn, ob ich deinetwegen auf die Chance zum Glück verzichten muss, auf eine neue Familie, und als er eingeschlafen ist, rufe ich Talja an. Du behauptest, ich müsste noch warten, fahre ich sie an, aber wie lange, vielleicht, bis Gili zum Militär geht? Wer weiß schon, wann die richtige Zeit für solche Veränderungen gekommen ist, jetzt ist er noch jung genug, um sich daran zu gewöhnen, und wenn ich warte, könnte die neue Beziehung erlöschen, ich habe jetzt die Chance zu einem wirklich neuen Leben, Talja, ich habe Angst, sie zu verpassen, vielleicht ist das meine letzte Chance, wer weiß, glaubstdu, es ist gesund für ihn, allein mit seiner Mutter aufzuwachsen, ohne Familie? Vielleicht ist es ja gerade diese Veränderung, die ihm gut tun wird, sagt sie, aber während ich ihr zuhöre, geht die Tür auf und Oded steht da, in seinem weißen Pullover, wieder ohne Mantel, und seine Ankunft dämpft ihre scharfen Sätze, nimmt ihnen die Spitze. Störe ich dich, fragt er leise, und ich ziehe ihn an mich, seine Hände sind schon unter meiner Kleidung, Ella, du musst damit warten, fährt sie fort, das ist keine Frage des Alters, sondern der Umstände, gib ihm Zeit, dass er sich erst einmal an eure Trennung gewöhnt, belaste ihn nicht so schnell mit einer neuen Familie, du verlierst nichts, wenn du noch ein wenig wartest, im Gegenteil, wenn du deshalb deinen neuen Freund verlierst, ist das ein Zeichen, dass es nichts Ernstes war, überlege doch, wenn es nicht klappt, wirst du eine neue Trennung durchmachen, wozu brauchst du diese ganzen Kopfschmerzen, warum fällt es dir so schwer, noch ein Jahr zu warten, und das alles hört er zusammen mit mir, bis ich sie unterbreche, Talja, ich muss aufhören, ich habe Besuch, reden wir morgen weiter, und er nimmt mir den schwarzen Hörer aus der Hand, betrachtet ihn ernst, sie hat vielleicht Recht, deine Freundin, sagt er schließlich, aber ich glaube nicht an solche Ratschläge, kein anderer weiß besser als du, was gut für dich ist, versuche, auf dein Herz zu hören, auf deine innere Stimme, und ich frage, was machst du überhaupt hier, ich habe gedacht, es geht heute Nacht nicht, und er lächelt, ich habe fünfzig Minuten für dich, reicht dir das?
    Warum ausgerechnet fünfzig, frage ich und schaue sofort auf die Uhr, und er antwortet, weil ich zu Maja gesagt habe, ich hätte eine wichtige Verabredung mit einem Patienten, der sofort Hilfe braucht, und ein ungeheurer triumphierender Stolz erfüllt mich, ich brauche wirklich sofort Hilfe,flüstere ich ihm ins Ohr, aber ich dachte, du fängst nichts mit Patientinnen an, und er lacht, diese Regeln gelten nicht für dich, wie sich herausstellt, so wie die Regeln deiner Freundin nicht

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