Späte Familie
Tore des Himmels klopft, als wir verspätet den Schulhof betreten und verlegen vor den Familien stehen, die sich in einem bunten Kreis versammelt haben, dicht gedrängt auf Decken und Matten, jede wie auf einer kleinen Arche Noah, und mit leisen Stimmen singen, wir haben noch nicht einmal eine Decke dabei, und Gili klammert sich an meine Hand, Mama, man braucht eine Decke, murmelt er, alle haben Decken mitgebracht, und ich verteidige mich sofort, das habe ich nicht gewusst, niemand hat es mir gesagt, ich schicke einen vorwurfsvollen Blick zu Amnon, als wäre er verantwortlich für dieses Versäumnis, aber er, ungeduldig wie immer, bahnt sich schon seinen Weg weiter, bedeutet uns mit einer herablassenden Handbewegung, ihm zu folgen.
Schabbat Schalom, Familie Miller, verkündet die Lehrerin mit süÃlicher Stimme, kommen Sie, setzen Sie sich, damit wir fortfahren können, sie deutet energisch auf den freien Platz neben ihr, und ich ziehe den widerstrebenden Gili hinter mir her, hüpfe mühsam zwischen Ellenbogen und Knien weiter, trete auf den Rand einer ausgebreiteten Decke, gegen eine Flasche, verschütte Wasser, gegen eine offene Tasche voller Windeln, und wir setzen uns alle drei neben die Lehrerin, für jeden ist unser Anderssein durch das Fehlen einer Decke klar zu erkennen, es ist die abgewetzte häusliche Decke, die die familiären Hinterteile von alters her auf sich vereint, die eine gemeinsame Unterlage für die ganze Familie schafft, und nur wir sind anders, wir gehörennicht zu ihnen und nicht zueinander, müssen auf den nackten Bodenplatten des Hofs sitzen, der traurige Gili zwischen uns schaut sich mit scheuem Blick um.
Wir sind die kürzeste Familie, flüstert er mir bekümmert ins Ohr, und ich beeile mich aus alter Gewohnheit, unsere Ehre zu verteidigen, warum kurz, Papa ist sehr groÃ, und du auch, aber er begründet es sofort, weil wir nur drei sind. Und wirklich, als ich meinen Blick über die vielen fremden Gesichter wandern lasse, entdecke ich auf fast jeder Decke groÃe und kleine Geschwister, Babys und Heranwachsende, oder auch eine GroÃmutter oder einen GroÃvater, festlich gekleidet, mit weiÃen Blusen und Hemden, sogar ein paar friedliche Hunde, und das Anderssein nimmt zu und brennt auf meiner Stirn wie ein Mal, denn wir werden so bleiben, wir sind wie jemand, der in der Blüte seiner Tage stirbt, wir werden nicht mehr wachsen.
Verstocket euer Herz nicht, wie zu Meriba geschah, wie zu Massa in der Wüste, singen sie beflissen den Text aus dem Gebetbuch, die Lehrerin hält mir das Blatt mit dem Text hin, und ich betrachte ihn, versuche, mit einzustimmen, die Wörter kratzen in meinem Hals, sie sind ein Volk mit irrendem Herzen, und sie haben meine Wege nicht erkannt, daher habe ich in meinem Zorn geschworen, sie werden nicht zu meiner Ruhestätte kommen ⦠Im Schatten des Gesangs finden Gespräche statt, Wörter werden zwischen den Versen gezischt, die meisten der Anwesenden scheinen sich zu kennen, sie haben schon gemeinsame Erinnerungen gesammelt, gemeinsame Feiern zum Empfang des Schabbat, duftende Wärme entsteigt den Decken, als koche dort ein geheimer Eintopf auf versteckten Herdplatten, jede Familie bringt den angenehmen Geruch ihres eigenen Heims mit, des eigenen Atems und der eigenen Gerichte, des eigenen Waschmittels und des eigenen Shampoos,den Duft von Nachgeben und Kompromiss, von Nähe und Gewohnheit, von uralten Machtkämpfen und Freundschaften, die fast unmerklich hinzugekommen sind, und all diese Gerüche zusammen verbinden sich zu einem unendlichen Geheimnis. Ich betrachte sie prüfend, wie sie, aneinander gelehnt, vollendete Gebilde schaffen, geometrische Figuren, bald werden sie mir nicht mehr fremd sein, aber vorläufig kommt mir nur ein Lächeln entgegen, mit fast geschlossenen Lippen, ein träumerisches Lächeln aus schmalen grünlichen Augen, sie sitzt mit übergeschlagenen Beinen da, den Rücken leicht gekrümmt, die Arme um die Schultern ihres Sohns geschlungen, auf ihren Beinen liegt ein älteres Mädchen in einem roten Samtkleid, und hinter ihren glänzenden Locken, die ausgebreitet sind wie ein Fächer, ist die Stirn eines blassen Mannes zu sehen, mit ergrauenden Haaren und dunklen, tief liegenden Augen und dichten Augenbrauen, die sie beschatten, seine Hände massieren ihren Nacken und ihre Schultern, die sich im Rhythmus der Melodie hin und her
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