Späte Familie
einem Kühlschrank geschlafen, aber der Kühlschrank hat so einen Lärm gemacht, dass er nicht einschlafen konnte. Was erzählst du da, Gili, ich mische mich ein, lache gezwungen, rede keinen Unsinn, du hast nicht verstanden, was Papa gesagt hat, aber er ignoriert mich und fügt hinzu, du hast Glück, dass deine Eltern sich nicht streiten, und Jotam sagt, manchmal streiten sie sich und manchmal nicht, was soll das heiÃen, alle Eltern streiten sich manchmal, und Gili sagt, aber meine streiten sich für immer.
Schön, wir sind angekommen, verkünde ich, obwohl wir erst am Anfang der StraÃe sind und noch viel zu viele Schritte vor mir liegen, komm schon, sie haben keine Zeit, ich treibe ihn zur Eile an, und vielen Dank, Michal, du hast mich heute gerettet, wirklich, und sie wirft mir einen grünen Blick zu, und auf ihrem Gesicht liegt wieder der Ausdruck erstaunter Neugier, als säÃe ich wieder oben auf dem Tor. Willst du, dass ich dich ins Haus bringe, fragt sie, und ich sage, das ist nicht nötig, es ist wirklich ganz nah, ichkomme zurecht, aber ihr Blick begleitet mich, während ich mich schwerfällig humpelnd vorwärts bewege, ein Blick voller Beunruhigung und Erstaunen und sogar Bedauern, als wäre ein langer trauriger Brief, der an mich adressiert ist, irrtümlich bei ihr gelandet.
Mama hinkt, Mama hinkt, er springt um mich herum, flattert mit seinem schwarzen Umhang wie eine Fledermaus, und ich befehle ihm, gib mir die Hand, Gili, mir fällt das Gehen schwer, aber er macht keine Anstalten, mich zu stützen, und auch als er sich schlieÃlich dazu herablässt, mir seine klebrige Hand hinzustrecken, scheint sein ganzes Gewicht an ihr zu hängen und mich auf den Gehweg zu ziehen, auf dem schon die ersten herabgefallenen Blätter liegen.
Der Schmerz pocht mit schweren klaren Schlägen in meinem FuÃ, wie die Glocke einer Kirche, und ich höre ihm ängstlich zu, so sehr zieht er meine Aufmerksamkeit auf sich, baut eine klare Trennwand, die von Sekunde zu Sekunde höher wird, zwischen dem, was bisher war, und dem, was ab jetzt sein wird, zwischen dem, was ich bisher war, angeblich eine verheiratete Frau, die eine Familie hat, eine Wohnung, ein gesichertes, wenn auch begrenztes Eigentum, und dem, was ich in Kürze sein werde, eine geschiedene Frau mit Kind, ohne Partner, ohne Wohnung, die vorläufig nichts hat, aber irgendwann vielleicht alles haben wird, und dieses zweifelhafte Vielleicht, das plötzlich, nach langer Abwesenheit, in mein Erwachsenenleben eingedrungen ist, wird immer gröÃer, und mir ist, als könne es jeden Schmerz lindern, und während ich da auf dem Sofa liege, das Bein auf einem Berg Kissen, die Gili fröhlich für mich aufgetürmt hat, habe ich das Gefühl, es handelte sich um Geburtswehen, die mein neues Leben ankündigen, schmerzhaft, aber auch mit Freude, das neue Leben, das ich zwar noch nicht kenne, das mich aber mit dem Geschrei einesNeugeborenen einlädt, es mit beiden Händen zu ergreifen und an die Brust zu drücken.
Mama, schieà ins Tor, bittet er, du hast versprochen, dass du ins Tor schieÃt, er steht gebückt vor einem unsichtbaren FuÃballtor zwischen zwei Wänden, und ich seufze, vielleicht morgen, Gili, du hast doch gesehen, ich kann nicht mal stehen, wie soll ich da spielen, aber er beharrt, nein, nicht morgen, heute, mir ist langweilig, sein Gesicht wird immer röter, gleich wird es sich zu einem Weinen verzerren, und ich versuche, ihn zu beruhigen, komm, spielen wir etwas anderes, Domino oder Monopoly, und während ich noch weitere mögliche Spiele aufzähle wie eine Kellnerin die Tagesgerichte, mischt sich ein schlaues Lächeln in seine Tränen, und er bekennt, ich habe Papa schon angerufen, dass er kommt und mit mir FuÃball spielt, weil du nicht kannst, er wird gleich kommen.
Die plötzliche scharfe Trennung zwischen seinem Willen und meinem trifft mich wie ein Faustschlag, schlieÃlich ist er mein kleiner Junge, mein Augapfel, Fleisch von meinem Fleisch, mein einziger Sohn, fast bis zur Unerträglichkeit geliebt, dessen Wille sechs Jahre lang mein Wille war, seine Freude meine Freude, sein Kummer mein Kummer, und da hat sich plötzlich diese Diskrepanz zwischen uns eingeschlichen, über Nacht, sein Wille ist nicht mehr meiner, seine Freude nicht mehr meine, sein Kummer nicht mehr meiner, und ich habe das Gefühl, dass dies der wirkliche Riss
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