Späte Familie
los, beruhige dich, ich tue nichts, ich schaue nur. Mit zusammengekniffenen Augen, wie ein Gutachter, der eine Ware abschätzt, betrachtet er mich, und ich ziehe schnell das Kleid hoch, geh weg, wie kannst du es wagen, sein grobes Benehmen überrascht mich zwar nicht, aber zum ersten Mal ist es direkt gegen mich gerichtet, alswäre er nie im Leben der beste Freund meines Mannes gewesen, als wäre ich nie die Frau seines Freundes gewesen, und er atmet mir ins Gesicht, für wen hältst du dich eigentlich, du wirst mich noch anflehen, dich anzufassen, dein Leben hat sich verändert, du kapierst es bloà noch nicht.
Ich lebe lieber wie eine Nonne, als mich mit dir einzulassen, zische ich, und er lässt mich los und greift nach der Tüte, hör gut zu, was ich dir sage, du wirst mich noch um einen Fick anflehen, er läuft schnell zur Tür, mit seinem geckenhaften Gang, und ich rufe ihm nach, warte nur, bis ich Amnon erzähle, was du getan hast. Wie kommst du darauf, dass es Amnon interessiert, fragt er trocken, ohne sich nach mir umzuschauen, verschwindet im Treppenhaus und lässt mich zurück, ich halte mir den Bauch, als hätte ich etwas Verdorbenes gegessen, und als ich durch das Fenster sehe, um sicher zu sein, dass er gegangen ist, sehe ich ihn in sein teures Auto steigen, in dem jemand auf dem Beifahrersitz auf ihn wartet, bestimmt eine von den Praktikantinnen aus seinem Büro, die er zu verführen versucht, ich kneife die Augen zusammen, nein, diesmal ist es ein Mann, lang und gebückt, es ist Amnon, der ihn mit einem unbeholfenen Lächeln empfängt und die Hand nach der Tüte ausstreckt, sie auf seine Knie legt.
Silbriges Licht blendet meine Augen, als ich nach dem Telefon greife, ich muss sie erreichen, bevor sie sich zu weit entfernen, als wären sie Diebe, die einen wertvollen Gegenstand wegschleppen, der mir gehört, ich will eigentlich Amnon verlangen, aber als sich Gabi mit seiner näselnden Stimme meldet, höre ich mich sagen, du hast hier etwas vergessen, Gabi, und er fragt überrascht, was habe ich vergessen? Und ich sage, hier ist noch eine Tüte. Wirklich, fragt er erstaunt, deckt für einen Moment das Telefon ab, dann sagt er, okay, ich komme schon, und kurz darauf sehe ich, wiesich das Auto im Rückwärtsgang vorsichtig nähert und am StraÃenrand hält, unter den Pappeln, Gabi steigt mit wichtigtuerischem Gesichtsausdruck aus, und Amnon, der mit den Händen die Tüte umklammert, schaut ihm nach. Warum schaust du das Haus nicht an, in dem du einmal gewohnt hast, zum groÃen Fenster hinauf, das du geliebt hast, betrachte die Efeuranken, die an der Mauer hochklettern, erst vor zwei Wochen hast du die klebrigen Zweige beschnitten und die Aussicht aus dem Fenster wurde gröÃer und gröÃer, bis die ganze StraÃe offen dalag, schmal und gewunden wie ein ausgetrocknetes Flussbett.
Wo ist sie, fragt er misstrauisch, SchweiÃtropfen stehen auf seiner Oberlippe, und ich spiele die Naive, wer? Ich hab dein Spielchen satt, Ella, sagt er, wo ist die Tüte, und ich lächle ihn an, ziehe mit einer unsichtbaren Bewegung den dünnen Schulterträger herunter, eine Bewegung, die nicht zu mir gehört, und sage, es gibt keine Tüte, Gabi, und erst dann breitet sich auf seinem Gesicht Stolz aus, doch sein Blick bleibt zweifelnd, seine Lippen zittern nervös, und ich provoziere ihn, was ist los, hast du plötzlich Angst? Und er flüstert heiser, vor dir bestimmt nicht. Mit einer raschen Bewegung, als befürchte er, es im nächsten Augenblick zu bereuen, zieht er mich an sich, er packt mich an den Haaren, die noch immer nass sind, und schiebt mir seine fleischige Zunge in den trockenen Mund, und ich lehne mich an das Fensterbrett, werfe einen flüchtigen Blick zu dem Auto und dem Mann, der darin sitzt, mir scheint, dass er ungeduldig auf seine Uhr schaut, dann sieht er verärgert zum Haus hinüber, vielleicht beschlieÃt er hochzukommen, er wird durch die weit geöffnete Tür in seine Wohnung treten, genau dann, wenn sein Freund meinen Hals leckt, mit einer rauen Zunge wie die einer Katze, er schiebt mir eine geballte Faust zwischen die Beine, du bist geil auf mich,SüÃe, und ich antworte nicht, meine Augen hängen an der gebückten Gestalt, mein Körper weicht zurück, ich habe immer gewusst, dass du scharf auf mich bist, murmelt er, und ich nicke gegen meinen Willen, aber ich starre
Weitere Kostenlose Bücher