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Späte Heimkehr

Späte Heimkehr

Titel: Späte Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Show
in Sydney die preisgekrönten Schafböcke seines Vaters ausstellte. Enid war von den prachtvollen Merino-Widdern begeistert, und nach einer längeren Unterhaltung lud er sie zum Lunch ein. Von da an trafen sie sich regelmäßig, und Phillip reiste, sooft er konnte, nach Sydney. Das attraktive und gebildete Mädchen faszinierte ihn. Unter ihrer strahlenden Fröhlichkeit spürte er eine Verwundbarkeit, die ihn anzog.
    Erst als er sich ernstlich um sie bemühte, erzählte sie ihm von ihrem im Krieg gefallenen Verlobten. Phillip glaubte zu verstehen, war aber davon überzeugt, dass seine lebendige Liebe letztlich über ihre Liebe zu einem Toten triumphieren würde. Er sollte sich irren, Selbst nachdem er sie für sich gewonnen hatte, verlor er nie das Gefühl, eigentlich der Verlierer zu sein. Trotzdem war ihm Enid eine Zeit lang eine gute Frau. Obwohl sie keine Farmerstochter war, wie man es von seiner Zukünftigen erwartet hätte, fand sie sich ohne Schwierigkeiten in das beschauliche ländliche Leben ein. Sie führten eine zufriedene Ehe, bis dann das lang ersehnte Kind zur Welt kam.
    Er hatte mit einem Kind gerechnet, nicht aber damit, dass es sein bisher so glatt verlaufenes Leben in solche Unruhe versetzen würde. Es war weniger das Kind selbst, als vielmehr die unerwartete Tatsache, dass seine Frau sich von ihm zurückzog, wofür er seinem kleinen Sohn die Schuld gab. Er hatte sich bemüht, Enid wieder in seine eigene Welt zurückzuholen, kam jedoch gegen ihre mütterlichen Triebe nicht an und fand sich schließlich damit ab, sein Leben den veränderten Umständen entsprechend einzurichten.
    Als sich vor ihm ein langes gerades Stück Straße erstreckte, sah Phillip kurz zu seiner Frau hinüber. Er war bestürzt über den traurigen Ausdruck auf ihrem Gesicht und fühlte sich plötzlich merkwürdig unwohl. »Alles in Ordnung, Schatz?«, fragte er liebevoll und aufrichtig besorgt.
    Beim Klang seiner Stimme zuckte Enid etwas zusammen und wandte ihren Blick vom Fenster ab. Sie sah ihn einen Augenblick lang an und sagte dann ruhig: »Aber ja, Phillip. Ich habe mir nur ein paar Gedanken gemacht.«
    »Über früher?«, fragte er leise.
    »Ja.« Phillip nickte, und nach einer Weile fuhr Enid fort: »Ich habe über manche Dinge nachgedacht, und über diese Reise … eine Reise, von der wir nicht wissen, wohin sie uns führt. Wir fahren nach Sydney, ich weiß, aber was erwartet uns dort? Es ist doch so, dass wir niemals wissen können, was auf uns zukommt. Alles ist ein großes Geheimnis. Aber so ist das Leben wohl. Eine Reise voller Überraschungen. Irgendwo habe ich einmal gelesen, Reisen sei schöner als Ankommen. Kennst du diesen Ausspruch, Phillip?«
    Phillip war verwundert. Er konnte sich nicht erinnern, wann seine Frau das letzte Mal etwas Derartiges gesagt hatte, und wusste einen Moment lang nicht, was er erwidern sollte. Stattdessen nickte er einfach.
    Enid sprach weiter, als hätte sie ihm keine Frage gestellt oder aber zumindest keine Antwort erwartet. »Mein Vater sagte immer, der erste Schritt einer Reise sei der schwerste. Ich weiß nicht, ob er damit Recht hatte. Inzwischen denke ich, dass die Ankunft vielleicht das Schwerste von allem ist.«
    Phillip lächelte sie an. »Damit könntest du Recht haben, Liebling. Ich habe noch nie so richtig darüber nachgedacht.«
    Eine Zeit lang fuhren sie schweigend weiter. Enid blickte nach vorn, ohne wirklich etwas zu sehen. Plötzlich begann sie wieder zu sprechen, allerdings eher zu sich selbst als zu Phillip. »Ich frage mich, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Wenn man auf Reisen ist, verirrt man sich doch manchmal, nicht wahr?«
    Phillip streckte seinen Arm aus und ergriff ihre Hand. Auf einmal wurde er sehr traurig. Er wusste keine Antwort auf ihre Fragen. Als er ihre Hand drückte, erwiderte sie seinen Druck sanft – es war seit sehr langer Zeit der erste Ausdruck körperlicher und emotionaler Nähe zwischen ihnen.
     
    Barney saß währenddessen bei einem Glas selbst gemachtem Ingwerbier mit Mrs. Anderson auf der Veranda und beschloss, sie darum zu bitten, ihm von früher zu erzählen. Er nahm einen Schluck, während sie ihre Augen mit der Hand beschattete und angestrengt in den Garten spähte.
    »Jim müsste irgendwo da draußen sein. Mein Gott, die Sträucher sind aber auch so gewachsen, seit wir hier leben. Ich werde ihn mal rufen. Huhu, Jim, Zigarettenpause«, rief sie.
    »Sie sind ja auch schon hier, seit ich ein Baby war. Wie waren meine Eltern

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