Späte Heimkehr
sanfte Klang seiner Stimme. Sie liebte ihn so. Er beherrschte ihre Gedanken und Gefühle in solchem Maße, dass sie kaum an etwas anderes denken konnte und manchmal glaubte, vor lauter Liebe krank zu werden. Sie setzte sich auf den Boden, lehnte sich gegen den Stamm eines alten Eukalyptusbaums und sah zu, wie der Tag in den Abend überging. Bald würde sie zurückgehen müssen, weil das Essen wartete. Kutteln und Zwiebeln in weißer Petersiliensauce. Abby schloss die Augen, sie hatte überhaupt keinen Hunger.
Durch die geschlossenen Lider sah sie ein helles Licht brennen wie einen feurigen Ball. Und ganz plötzlich traf sie die Erkenntnis wie ein Blitz, sie fühlte, nein wusste … dass sie schwanger war. Da waren die kleinen Anzeichen, denen sie keine Beachtung geschenkt, diese schleichende Ahnung, die sie erfolgreich verdrängt hatte, jetzt ließ es sich nicht mehr wegschieben. Ja, es war schon Wochen her, länger, als ihr bewusst gewesen war.
Angst, Bestürzung und Entsetzen wichen einem rasch anwachsenden Glücksgefühl. Da war ein Stück von Barney in ihr, ihrer gemeinsamen Liebe war etwas Greifbares entsprungen. Alle Welt würde die Frucht ihrer Liebe und Leidenschaft sehen können. Jetzt, wo sie sein Kind bekam, würde Barney für immer bei ihr sein.
Einen ganzen Monat lang schob Abby es immer wieder auf, sich mit den Realitäten ihres Zustands zu befassen. Sie sehnte sich danach, ihrer Mutter von ihrer Sorge zu erzählen, aber zunächst benötigte sie die Bestätigung eines Arztes. Deshalb nahm sie all ihren Mut zusammen und bat Dr. Malone um eine Untersuchung.
Sie stand vor seinem Schreibtisch und blickte zu Boden, als er sie fragend ansah. »Was gibt es denn, Abby? Geht es Ihnen nicht gut?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich will Ihnen meine Symptome gar nicht erst aufzählen, sie sind vermutlich ziemlich normal. Ich … ich glaube, ich könnte schwanger sein.«
Dr. Malone gab sich Mühe, seine Überraschung und Enttäuschung zu verbergen. Er hätte Abby nicht für eines dieser Mädchen gehalten, die in ›Schwierigkeiten‹ gerieten und ihn dann um Hilfe baten.
Nach der Untersuchung, die ihren Verdacht bestätigte, zog er den Vorhang um die Untersuchungskabine. »Was haben Sie jetzt vor, Abby?«, wollte er wissen, während sie sich mit zitternden Fingern die Bluse zuknöpfte.
»Ich weiß es nicht. Zuerst muss ich mich an den Gedanken gewöhnen. Ich war mir ja nicht ganz sicher. Sie werden doch niemandem davon erzählen, nicht wahr, Dr. Malone?«, fragte sie dann.
»Ich bin an die Schweigepflicht gebunden, Abby. Aber Sie sollten sich jeden Ihrer Schritte gut überlegen. Ich würde Ihnen gern dabei zur Seite stehen. Haben Sie denn schon mit dem Vater und mit Ihren Eltern darüber gesprochen?«, fragte er freundlich.
Abby trat hinter dem kurzen Vorhang hervor, nahm ihm gegenüber am Schreibtisch Platz und schüttelte den Kopf.
»Ich hoffe aber, Sie werden es ihnen bald sagen. Sie müssen nämlich eine sehr schwierige Entscheidung treffen.«
Abby sah ihn überrascht an. »Wovon sprechen Sie?«
»Sie müssen entscheiden, was aus dem Kind werden soll.«
Abby schloss die Augen und war plötzlich so verwirrt, dass sie das Gefühl hatte, sie würde gleich in Ohnmacht fallen. »Wie meinen Sie das, was aus dem Kind werden soll? Es ist meines. Ich behalte es.«
»Wird der Vater Sie heiraten?« Als Abby ihn nur wortlos und mit bleichem Gesicht anstarrte, fuhr Dr. Malone fort: »Seien Sie realistisch, Abby. Wenn Sie beide sich lieben und ohnehin heiraten wollen, dann sollten Sie das auch möglichst bald tun. So etwas kann ja mal passieren. Aber falls Sie nicht vorhaben zu heiraten, muss das Kind irgendwo unterkommen. Da wir beide Katholiken sind, kommt eine andere Lösung natürlich nicht in Frage, und ich werde Ihnen zur Seite stehen. Ich könnte Ihnen die Adresse eines Heims in Sydney geben, wo man sich um junge Frauen in Ihrer Situation kümmert und die Babys bei guten katholischen Familien unterbringt.«
»Ich habe meine eigene Familie, die sich um mich kümmern wird. Ich muss meinem Baby kein Zuhause suchen.«
»Abby, Sie müssen aber auch medizinisch betreut werden. Und außerdem betrifft die Entscheidung nicht nur Sie und Ihre eigene Zukunft. Da ist auch noch der Vater und Ihre eigene Familie. Denken Sie daran, was Ihr Bruder und Ihre Schwestern möglicherweise in der Schule durchmachen müssen. Sie wissen doch, wie die Leute reden.« Er legte seine Hand auf die ihre. »Gehen Sie nach
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