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Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Titel: Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Baron
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von Euroländern zu kaufen und so deren Wert zu stützen. Dieser Sündenfall der Notenbank zieht letztlich den Rücktritt zuerst von Weber, dann auch von Stark nach sich, trägt allerdings wesentlich zur Beruhigung der Märkte bei.
    Wenige Tage danach ist der Deutsche-Bank-Chef wieder einziger Gast in der Talkshow von Maybrit Illner. Thema diesmal: Griechenland und der Euro. Die Sendung sollte einen politischen Wirbelsturm auslösen. Als die Gastgeberin Josef Ackermann fragt, ob es die Griechen denn jemals schaffen würden, ihre 300 Milliarden Euro Schulden im Ausland zurückzuzahlen, antwortet er, dies erfordere »unglaubliche Anstrengungen«. Ob das Land »über die Zeit wirklich in der Lage« sei, »diese Leistungskraft aufzubringen«, das wage er »zu bezweifeln«.
    Die Äußerung des Schweizers betrachten viele Politiker wie seinerzeit den »Schämen«-Satz als Dolchstoß in den Rücken – als hätte er damit das von ihm selbst immer wieder geforderte europäische Rettungsprogramm als nutzlos erklärt.
    Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle ( FDP ) nennt die Aussagen »ärgerlich«, der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, »unverantwortlich«. Die Kanzlerin hat dafür »null Verständnis«. Einige Tage später spricht sie Ackermann durch die Blume sogar so etwas wie eine öffentliche Kündigung als Berater aus. »Der Platz für ehrliche Ratgeber« aus der Finanzindustrie, so Merkel auf einer internationalen Konferenz im Berliner Finanzministerium, sei »noch relativ unbesetzt«.
    Josef Ackermann kennt die selektive Wahrnehmung und Reiz-Reaktions-Muster der Berliner Republik inzwischen und regt sich darüber nicht mehr wirklich auf. Der Deutschbanker hatte Griechenland keineswegs abgeschrieben oder die Berechtigung des Hilfsprogramms für Athen in Zweifel gezogen – ganz im Gegenteil. Man müsse jetzt »alles tun, um Griechenland zu stabilisieren, Geld zur Verfügung stellen, aber gleichzeitig den Druck erhöhen«, hatte er bei Illner gesagt. Doch diese Passage war in den meisten Medienberichten über die Sendung einfach unter den Tisch gefallen. Sie beschreibt exakt die Politik, die Angela Merkel später einschlagen wird.
    Die Kanzlerin verübelt dem Schweizer damals nicht nur seine Einschätzung der griechischen Leistungskraft. Sie hat neben dem »Schämen«-Satz und dem Hinweis auf das Abendessen im Kanzleramt kurz vor dem Wahltag im Vorjahr noch einen Vorstoß in schlechter Erinnerung, den der Deutschbanker kurz nach dem Wahlgang im November 2009 unternommen hatte.
    Wie die Finanzkrise gezeigt hat, können Banken ab einer gewissen Größenordnung und Vernetzung nicht bankrottgehen. Die Staaten sind gezwungen, sie zu retten, weil ihre Pleite andere Institute in den Abgrund mitreißen, eine Kettenreaktion auslösen und das gesamte Finanzsystem zum Einsturz bringen würde. Sie sind im Fachjargon: too big to fail. Das wichtigste Disziplinierungsinstrument des Marktes und seine wichtigste Sanktion greifen bei ihnen nicht.
    Josef Ackermann, durch und durch Marktwirtschaftler und Verfechter von Leistung und Wettbewerb, will den schwerwiegenden Systemfehler beseitigen oder zumindest seine Auswirkungen erheblich einschränken. Denn er bedeutet in der Konsequenz die Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung der Verluste. Er fürchtet: »Das gefährdet die Akzeptanz unseres Wirtschaftssystems.«
    Deshalb schlägt der Schweizer vor, in Europa einen von Banken und Staaten gemeinsam mit Kapital gespeisten Fonds einzurichten. Damit sollen von der Pleite bedrohte Banken restrukturiert und geordnet abgewickelt werden.
    Ackermann ist dabei durchaus bewusst, dass die Geldhäuser einen solchen Fonds eigentlich alleine finanzieren müssten. Wichtiger aber erscheint ihm, dass er in überschaubarer Zukunft arbeitsfähig ist. Um in wenigen Jahren die notwendige Größenordnung zu erreichen, verfügen die krisengeschwächten Banken jedoch nicht über genügend finanzielle Ressourcen. Deshalb die Beteiligung der Staaten.
    Später richtet die Bundesregierung zusammen mit einer Bankenabgabe selbst einen solchen Fonds ein, allerdings nur für Deutschland und nur mit Geld der Banken. Bis dieser in der Lage sein wird, selbständig auch nur eine mittelgroße Bank abzuwickeln, wird es allerdings Jahrzehnte dauern.
    Der Vorschlag des Deutsche-Bank-Chefs löst wieder einmal einen öffentlichen Aufschrei aus: Die Vorstellung, dass der Steuerzahler weiter für Fehler von Banken zahlen soll, wird in

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