Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Gläubiger auch beteiligen. Das verstehen wir. Ich gehe davon aus, dass wir zu einer Lösung kommen werden.«
Tatsächlich verpflichtet sich Deutschlands Finanzbranche kurz darauf, »im Rahmen ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten« über drei Milliarden Euro neu in auslaufende griechische Anleihen zu investieren. Vorausgesetzt, dass auch andere europäische Länder Ähnliches verabreden. Ein – zumindest an den Erwartungen gemessen – bescheidener Betrag, aber mehr ist zu diesem Zeitpunkt nicht zu holen. Schon dafür muss Ackermann kämpfen. Untreueklagen von Aktionären stehen zu befürchten.
In diesen Monaten sprechen wir viel über Europa und darüber, wie man unter den Deutschen wieder neue Begeisterung für das europäische Projekt entfachen könnte. Josef Ackermann ist ein überzeugter Verfechter der wirtschaftlichen und politischen Integration des Kontinents. Die Staatsschuldenkrise sieht er als Chance, dabei einen großen Schritt voranzukommen. In der öffentlichen Debatte um Griechenland und den Euro vermisst er »die größere Perspektive«. Deutschland, so sagt er, müsse seinen finanziellen Beitrag »im Lichte der künftigen Rolle Europas in der Welt« sehen.
Obwohl Schweizer und damit kein EU -Bürger, betrachtet er die Vertiefung der Union als Muss, wenn der Kontinent auch in der Welt von morgen noch eine Rolle spielen und sich zwischen den großen Blöcken USA und China, aber auch gegenüber anderen aufstrebenden Ländern wie Indien, Brasilien oder Russland behaupten will. »Man muss den Bürgern klarmachen«, sagt er, »dass alle europäischen Staaten ohne die EU in einigen Jahren politisch wie wirtschaftlich nur noch Randfiguren in der Weltpolitik sind, dann lässt sich auch die Krise wesentlich besser bekämpfen.«
Ein Staatsbankrott Griechenlands, so Ackermanns Sorge, würde andere finanzschwache Länder in Europa ebenfalls ins Wanken bringen, womöglich den Euro sprengen, damit den wichtigsten Integrationserfolg der Gemeinschaft zunichtemachen und deren Zerfall einleiten. Auch für seine Heimat wäre dies nach seiner Ansicht eine Katastrophe: »Die Schweiz kann in einer Art Bergfestung, umgeben von einem wirtschaftlich und sozial prekären und instabilen Umfeld, auf Dauer auch nicht glücklich leben.«
So wird der Deutsche-Bank-Chef endgültig zum Grenzgänger zwischen Wirtschaft und Politik. Der Mann, der seinen Posten in Frankfurt als Banker angetreten und dann in der Finanzkrise immer mehr politische Verantwortung übernommen hatte, entwickelt sich in den letzten beiden Jahren seiner Amtszeit im Kampf um die Rettung Griechenlands und des Euro immer mehr zum Staatsmann.
Manche, auch im eigenen Hause, sehen darin einen Ego-Trip, sprechen von »Joe-Show« und werfen dem Deutsche-Bank-Chef sogar vor, darüber die Führung seines Hauses zu vernachlässigen. Die Kritiker vergessen dabei allerdings, dass das politische Engagement des Deutsche-Bank-Chefs in der besten Tradition des Hauses steht. Ackermanns legendärer Vorgänger, Hermann-Josef Abs, hatte für Bundeskanzler Konrad Adenauer mit den Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg das Londoner Schuldenabkommen verhandelt, das die Reparationszahlungen für Deutschland regelte. Und Alfred Herrhausen hatte einst einen Schuldenerlass für die Dritte Welt vorgeschlagen.
Mehr noch aber: Bei der Lösung der europäischen Schuldenkrise geht es letztlich um nichts weniger, als die Grundvoraussetzung für eine global bedeutende Rolle der Deutschen Bank auch in der Zukunft zu sichern.
Josef Ackermann lässt sich denn auch nicht von seinem Engagement abbringen. Auf dem EU -Sondergipfel in Brüssel am 21 . Juli 2011 verzichten die in Griechenland engagierten Finanzinstitute unter seiner Führung auf ein Fünftel des Werts ihrer ursprünglichen Forderungen. Sie tragen so 37 Milliarden Euro zu dem zweiten Hilfspaket für das Land in Höhe von insgesamt 159 Milliarden Euro bei.
Die französischen Banken waren ursprünglich nur zu 15 Prozent Verzicht bereit, doch der IIF -Präsident hatte sie überrumpelt. Unmittelbar vor dem Gipfel hatte er das Angebot kurzerhand auf 20 Prozent aufgestockt und dies den Kontaktmann der Eurogruppe zu den Banken, den italienischen Finanzstaatssekretär Vittorio Grilli, wissen lassen.
Bei seinen französischen Kollegen kommt das gar nicht gut an. Für sie geht es um viel Geld. Allein die größte Bank des Landes, BNP Paribas, hat in Griechenland fünf Milliarden Euro und damit den größten Betrag unter
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