Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
und der größere Teil des Geldes von Privaten kommen solle, so argumentiert er, verstoße das Geschäft gegen die europäischen Währungsverträge. Außerdem würde man dadurch letztlich nur erneut mit Steuergeldern für die Banken die Kohlen aus dem Feuer holen. Nach den 500 Milliarden für den Soffin sei dies den Bürgern nicht mehr zu vermitteln. Was er nicht sagt: Vor den wichtigen Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai will die Regierung eine weitere unpopuläre Hilfsaktion mit Steuergeld vermeiden.
Der Deutsche-Bank-Chef hält die Absage für einen schweren Fehler. Er weiß, dass die heraufziehende Staatsschuldenkrise keine Rücksicht auf Wahltermine in Deutschland nehmen wird. »In Berlin fehlt es am nötigen Problembewusstsein«, klagt er mir gegenüber. »Am Ende wird dadurch alles nur noch teurer.«
Der Schweizer hatte sich nie der Illusion hingegeben, dass sein Plan die Krise verhindern könne. Dafür ist das Problem viel zu groß. Mit einer schnellen Reaktion will er jedoch Zeit gewinnen und einen weniger dramatischen Verlauf erreichen.
Wie zu erwarten, verschärft sich die Krise in den folgenden Monaten rapide. Athen fühlt sich von Europa im Stich gelassen und bringt den IWF ins Spiel. Ende April, Eurostat schätzt das griechische Budgetdefizit inzwischen bereits auf 13 , 6 Prozent, stuft die Ratingagentur Standard & Poor’s die Kreditwürdigkeit des Landes gleich um drei Stufen herab. Die Kurse griechischer Staatsanleihen brechen ein. Und mit ihnen die Aktienmärkte in ganz Europa.
Nun zählen die zwei Monate zuvor vorgetragenen Einwände nicht mehr, Landtagswahlen hin oder her. Es gilt Schlimmeres zu verhüten, viel Schlimmeres. Zusammen mit dem IWF beschließen die Eurostaaten, Deutschland inklusive, Athen über die nächsten drei Jahre mit 110 Milliarden Euro unter die Arme zu greifen. EZB -Präsident Trichet ist nun auch bereit, griechische Staatsanleihen als Sicherheit zu akzeptieren.
Um im Parlament die Zustimmung von SPD und Grünen für das Hilfspaket zu bekommen und es so als Wahlkampfthema in NRW möglichst zu neutralisieren, drängt die Bundesregierung die Finanzbranche zu einem eigenen Beitrag. Obwohl vor einigen Wochen noch schnöde von Berlin abgewiesen, verweigert sich Josef Ackermann der Bitte nicht und wirbt bei seinen Kollegen um Unterstützung. Schon wenige Tage später kann er gemeinsam mit Bundesfinanzminister Schäuble ein Stillhalteabkommen gegenüber Griechenland verkünden. Es sieht vor, dass Deutschlands Banken und Versicherungen bestehende Engagements »nach aller Möglichkeit« aufrechterhalten und sich nicht zurückziehen.
SPD -Chef Sigmar Gabriel qualifiziert die Hilfe der Finanzbranche als »absolute Nullnummer« ab. Dabei sollte die Zusage allein die Deutsche Bank am Ende 400 Millionen Euro an Abschreibungen kosten. Gerade für ein globales Unternehmen, das etwa zur Hälfte ausländischen Aktionären gehört, war der Einsatz alles andere als selbstverständlich.
Natürlich wird Josef Ackermann auch in Sachen Griechenland nicht selbstlos tätig. Schließlich muss er sein Tun den Eigentümern der Bank gegenüber rechtfertigen können. Er geht jedoch von Anfang an davon aus, dass eine sich dramatisch verschlechternde Lage in Griechenland ganz Europa und damit auch sein Institut in Mitleidenschaft zieht, obwohl es dort direkt nur 500 Millionen Euro im Feuer hat. Im schlimmsten Fall droht sogar ein Zerfall der Währungsunion und damit ein gravierender Standortnachteil für Europas führende Investmentbank. Grund genug für den Chef der Deutschen Bank, sich zu engagieren.
Das erste Rettungspaket für Griechenland zeigt nicht die gewünschten Folgen. Für zehnjährige Griechenland-Anleihen verlangt der Markt bald 20 Prozent Zinsen. Deutsche Papiere kosten derweil nur drei. Auch spanische und portugiesische Anleihen kommen unter Druck. Die Ansteckungsgefahr erweist sich als real. Europas Banken leihen sich untereinander kaum noch Geld, die Zeiten erinnern bald an die schlimmsten Tage der Finanzkrise im Herbst 2008 .
Wie damals ein Stabilisierungsfonds für die gesamte Branche nötig geworden war, muss jetzt ein Rettungsschirm für die gesamte Eurozone her. Am 10 . Mai 2010 einigen sich die Mitgliedsstaaten und der IWF auf einen Fonds von 750 Milliarden Euro. Bereits tags zuvor hatte der europäische Zentralbankrat gegen die Stimmen der deutschen Mitglieder, Bundesbankchef Axel Weber und EZB -Chefvolkswirt Jürgen Stark, zudem beschlossen, künftig Staatsanleihen
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