Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
zeigen. Er nutzte sie: Wie regelmäßige Messungen von Infratest im Auftrag der Deutschen Bank zeigen, hatten 2006 noch fast 60 Prozent der Deutschen eine negative Meinung von ihm. Bei seinem Ausscheiden 2012 waren es nicht einmal mehr 20 Prozent. Für den Chef der Deutschen Bank – zumal in diesen Zeiten – kam das fast schon einer Liebeserklärung gleich.
Die Imageverbesserung von Josef Ackermann wirkte sich auch positiv auf die Reputation seines Hauses aus. In den Jahren der Finanzkrise hat sie deutlich weniger gelitten als die anderer Institute, sich schneller wieder erholt und lag bei Ackermanns Abschied fast schon wieder auf Vorkrisen-Niveau, in der Kernzielgruppe sogar darüber.
Als Journalist war ich immer mal wieder eingeladen worden, Top-Managern renommierter Unternehmen bei Kaminabenden die Denk- und Arbeitsweisen meiner Zunft näherzubringen. Dabei war mir stets aufs Neue aufgefallen, dass viele Unternehmensführer Kommunikation nur als lästige Pflichtübung begreifen. Die PR -Abteilungen ihres Hauses betrachten sie offenbar als eine Art Lazarettwagen, Journalisten als eine besonders heimtückische Spezies von Wegelagerern, die es tunlichst zu meiden gilt.
Kommunikation ist für diese Manager Risiko statt Chance. Am liebsten würden sie gar nicht kommunizieren. Da das aber nicht geht, tun sie es notgedrungen und reaktiv. Und ärgern sich dann über die unbefriedigenden Ergebnisse.
Gut kann jedoch nur kommunizieren, wer dies aktiv, voller Überzeugung und gerne tut, wer Medien im wahrsten Sinne des Wortes als Medium versteht, als Möglichkeit, mit Anlegern, Geschäftspartnern und der Gesellschaft in Kontakt zu treten.
Nie war dies wichtiger und zugleich anspruchsvoller als heute. Mit der Globalisierung hat sich nicht nur der Wettbewerb verschärft und damit das Tempo von Innovationen und Veränderungsprozessen beschleunigt, sondern auch der Kreis der Adressaten von Unternehmenskommunikation erweitert und diversifiziert. Durch das Internet haben die Menschen zudem per Mausklick in Realzeit Zugang zu Informationen aus aller Welt, die sie sich früher – wenn überhaupt – nur mühsam und mit großem Zeitverzug beschaffen konnten. Kommunikation war nie eine Einbahnstraße. Aber zu keiner Zeit herrschte auf der Gegenspur mehr Verkehr als heute.
Die in Vorstandsetagen immer noch weitverbreitete defensive Grundhaltung und antagonistische Einstellung zu Medien war für mich seit jeher das Kardinalproblem der Unternehmenskommunikation. Josef Ackermanns Angebot, die Seiten zu wechseln, habe ich daher seinerzeit nur angenommen, weil ich wusste, dass seine Einstellung (seit Mannesmann) eine andere (geworden) war. Zugleich gab es mir die Möglichkeit, in der Praxis zu beweisen, was ich am Kamin immer gepredigt hatte.
Ebenso wie der Fokus auf Josef Ackermann stand für mich von Anfang an fest, dass das Hauptaugenmerk meiner Arbeit auf Deutschland gerichtet sein musste.
Zwar ist die Deutsche Bank längst ein globales Institut geworden. Sie macht etwa drei Viertel des Geschäfts im Ausland, ihre wichtigsten Wettbewerber sitzen in New York und London, nicht in Frankfurt. Das Aktionsfeld der Kommunikation musste somit selbstverständlich ebenfalls global sein.
Ich stellte mir dieses Feld als Fußballfeld vor – mit Deutschland als Torraum der Bank. So wie im Fußball eine Mannschaft nur befreit stürmen und Tore schießen kann, die in der Deckung sicher steht, so kann nur ein Unternehmen weltweit gute Geschäfte machen, das über eine sichere Bastion im Heimatmarkt verfügt. Und wer zu Hause eine schlechte Presse hat, bekommt sie früher oder später auch draußen in der Welt. Umso mehr, wenn er den Namen des Heimatlandes in seinem Firmennamen trägt und dort eine besondere politische und gesellschaftliche Rolle spielt.
Die Deutsche Bank ist nicht nur ein Geldinstitut, sie ist, wie Josef Ackermann erst schmerzhaft lernen musste, »das Baby aller Deutschen«. Um dies kommunikativ zu bewältigen, sind nicht nur Financial Times und Wall Street Journal, Frankfurter Allgemeine Zeitung , Handelsblatt und Börsenzeitung , sondern auch Süddeutsche sowie » Bild und Glotze« wichtig, wie Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder die für ihn entscheidenden Medien einmal nannte. Und inzwischen natürlich längst auch das Internet.
Bis heute habe ich vor Augen, wie ungläubig mich meine damalige Assistentin anstarrte, als ich ihr in meiner ersten Woche in Frankfurt auftrug, auch die Bild in den Stapel an Zeitungen und
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