Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
s verfallen. Dazu nehmen sie die unterste Risikoklasse mit viel Subprime aus den RMBS heraus und bauen damit neue Schuldentürme, in denen es – o Wunder! – ebenfalls Mezzanine- und AAA -Etagen gibt: Die Banken können die von ihnen bezahlten Ratingagenturen davon überzeugen, dass Subprime-Kredite für Häuser in New York oder in Los Angeles, in Miami oder Pittsburgh zwar jeweils für sich gesehen stark ausfallgefährdet sein mögen, alle zusammen gleichzeitig aber nicht. Beweis: Die Häuserpreise in den einzelnen Städten und Regionen haben sich historisch betrachtet nicht im Gleichschritt entwickelt. So entsteht aus BBB und niedriger zu sage und schreibe 80 Prozent neues AAA -Material, im Nachhinein könnte man auch sagen: aus Schrott Gold.
Als auch das irgendwann nicht mehr reicht, um die Geldmaschine weiter in Schwung zu halten, bringen die Banken schließlich hybride, also teilsynthetische oder vollständig synthetische CDO s auf den Markt. Letztere verkörpern in Reinkultur den Zustand weiter Teile des Investmentbankings zu dieser Zeit. Denn für diese Produkte sind überhaupt keine neuen Hypothekenkredite mehr erforderlich. Es reicht, Kreditausfallpapiere, handelbare Versicherungspolicen für Gläubiger gegen den Zahlungsausfall von Schuldnern, sogenannte Credit Default Swaps ( CDS ), auf ausgewählte Subprime-Kredite zu bündeln.
Auch hier erhalten große Teile den Stempel AAA . Da sich auf jeden Kredit beliebig viele Ausfallwetten abschließen lassen, sind nun die allerletzten Schranken gefallen, die die reale Welt bis dahin noch bereitgehalten hatte. Die Banken scheinen das Perpetuum Mobile erfunden, das finanzielle Nirwana erreicht, alle Risiken sich in Luft aufgelöst zu haben.
An dieser schönen neuen Welt will auch die Mittelstandsbank IKB teilhaben. Sie kauft fleißig CDO s, unter anderem von der Deutschen Bank. Da sie vor allem höherwertige Tranchen abnimmt, wähnt sie sich auf der sicheren Seite. Mit dem zunehmenden Preisverfall am amerikanischen Subprime-Markt kommen jedoch auch diese Papiere immer mehr ins Rutschen. Und mit ihnen das ganze Geschäftsmodell. Denn die Düsseldorfer haben die langfristigen Investitionen mit kurzfristigen Schuldverschreibungen am Geldmarkt refinanziert – für Banker eigentlich eine Todsünde. Die Papiere müssen spätestens alle drei Monate erneuert werden.
Das Kalkül dabei: Liquidität scheint unendlich vorhanden zu sein. Geld kostet nicht viel. Für Kredite mit einer Laufzeit von unter einem Jahr muss zudem gemäß dem damals noch gültigen Aufsichtsrecht (Basel I) kein teures Eigenkapital als Absicherung vorgehalten werden. Basel II , das unter anderem auch diese Lücke stopfen soll, tritt erst zu Beginn des Jahres 2008 in Kraft.
Im Sommer 2007 , als die Subprime-Krise auf die Kreditmärkte überzugreifen beginnt, lassen sich die Geldmarktpapiere der IKB jedoch nicht mehr wie gewohnt platzieren. Die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs und die Deutsche Bank sind die Ersten, die nicht mehr mitmachen. Wie Charles D. Ellis in seinem großen Goldman-Porträt (»The Partnership«) schreibt, hatten die Amerikaner bereits Ende April das Ruder bei Hypothekengeschäften herumgeworfen, keine neuen CDO s mehr aufgelegt und damit begonnen, das eigene Lager zu räumen sowie auf einen Verfall der Preise zu wetten.
Derweil ist die IKB noch voll in die entgegengesetzte Richtung unterwegs. Vorstandssprecher Stefan Ortseifen verkündet mit stolzgeschwellter Brust, das Geschäft mit strukturierten Krediten weiter ausbauen zu wollen. Auf seiner großen Reise bekommt Josef Ackermann im Juni von Investoren in Kalifornien Erstaunliches zu hören, wie er mir nach seiner Rückkehr erzählt. Vor ihm seien Vertreter einer anderen deutschen Bank da gewesen. Diese, so habe man ihm gesagt, sei drauf und dran, seinem Institut den Rang abzulaufen. Auf die Frage, um wen es sich bei diesem famosen Konkurrenten denn handle, habe er die Antwort erhalten: AI - KEI - BI .
Der Deutsche-Bank-Chef ist hellhörig geworden. Als die Gerüchte über Schwierigkeiten auftauchen, vertraut er dem Dementi der IKB nicht. Die Frankfurter unterhalten mit den Düsseldorfern zu der Zeit eine informelle Kreditlinie für deren Handelsaktivitäten. Daneben besteht eine fest vereinbarte sogenannte Liquiditäts-Linie für die Zweckgesellschaft Rhineland. Insgesamt hat diese solche Linien im Umfang von fast 14 Milliarden Euro, gut die Hälfte davon mit dem Mutterhaus, der Rest mit anderen Banken. Die
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