Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
dafür eigens ihre Tournee mit dem sinnigen Namen »The Bigger Bang« unterbrochen. »Big Bang« hieß seinerzeit der Startschuss für die Markt-Liberalisierung von Maggie Thatcher. Im Nachhinein kommt einem zu dem Stones-Konzert natürlich sofort die Bordkapelle auf der Titanic in den Sinn, aber damals dachte auch ich: Wow, was für ein Unternehmen!
Josef Ackermann erzählt später immer wieder von einem Mittagessen in exklusiver Runde Ende Juni in New York. Die Teilnehmer, der amerikanische Finanzminister Hank Paulson, dessen späterer Nachfolger und damalige Chef der New Yorker Fed, Timothy Geithner, die Chefs der wichtigsten Banken des Landes und er als einziger Nicht-Amerikaner, hätten dabei die Entwicklung der Finanzmärkte diskutiert und sich auch gefragt, wo Gefahren lauern. Alle Anwesenden seien sich der hohen Verschuldung bewusst, darüber aber nicht wirklich beunruhigt gewesen. Die Verbriefungspraxis habe ja dafür gesorgt, dass die Schulden weit verstreut waren, und alle seien davon ausgegangen, dass sich jeder nur so viel auflade, wie er tragen kann.
Ein fataler Irrtum! Einen Monat später bringen die Probleme auf dem amerikanischen Immobilienmarkt, die in Deutschland bis dahin als regionale Angelegenheit betrachtet worden waren, die scheinbar so biedere und konservative IKB in Düsseldorf ins Wanken. Am 20 . Juli 2007 werden Marktgerüchte laut, wonach die Bank durch die zunehmenden Probleme mit Subprime-Hypotheken in Schwierigkeiten zu geraten drohe. Von 100 Millionen Euro Wertberichtigungsbedarf ist die Rede.
Das Institut dementiert umgehend und hart, bestätigt seine Gewinnprognose für das Jahr und erklärt, durch die »Unsicherheiten im US -Hypothekenmarkt« nur »mit einem einstelligen Millionenbetrag betroffen« zu sein. »Viel Lärm um nichts«, konstatiert daraufhin ein Analyst der nur einige Hundert Meter entfernten West LB .
Auch die Ratingagentur Moody’s gibt in diesen Tagen Entwarnung. In einer Untersuchung darüber, ob von der Subprime-Krise in den USA eine Gefahr für das Weltfinanzsystem ausgehe, kommt sie zu dem Ergebnis: »Vielleicht haben die Banken noch nie so gut dagestanden wie jetzt.« Das größte Risiko bestehe »nicht darin, dass das System zusammenbrechen, sondern darin, dass sich aus dieser Episode eine Gefühl der Unverwundbarkeit ergeben könnte, sobald die Verluste verkraftet sind«.
Eine geradezu groteske Fehleinschätzung! Zwei Tage darauf kippen die Weltbörsen und treten eine jahrelange Talfahrt an. In den darauffolgenden Wochen und Monaten stellen sich zahlreiche Banken in Europa und den USA als höchst verwundbar heraus – allen voran die IKB , mein so brav erscheinender früherer Nachbar in der Düsseldorfer Kasernenstraße.
Kapitel 2
Biedermänner und Brandstifter
Am Montag, dem 30 . Juli – anderthalb Wochen, nachdem die IKB bestritten hatte, irgendwelche Probleme zu haben –, erfährt die erstaunte Öffentlichkeit, dass der Mittelstandsfinanzierer übers Wochenende vor dem Zusammenbruch gerettet werden musste.
Außerhalb der Bilanz hatten die Biedermänner, die sich jetzt als Brandstifter herausstellen, über sogenannte Zweckgesellschaften mit Namen wie Rhinebridge oder Rhineland Funding (Sitz im US -Bundesstaat Delaware, Eigenkapital: 500 Dollar) mehr als 20 Milliarden Euro in mit US -Hypothekenkrediten unterlegte strukturierte Wertpapiere investiert, vornehmlich in sogenannte Collateralized Debt Obligations, kurz: CDO s.
CDO s sind eine Weiterentwicklung von einfachen mit Hypothekenkrediten unterlegten Wertpapieren, sogenannten Residential Mortgage-Backed Securities ( RMBS ). Man kann sich diese wie ein Hochhaus vorstellen: In den unteren Etagen sind die gebündelten Kredite von schwachbrüstigen Subprime-Schuldnern untergebracht. Diese sind am stärksten ausfallgefährdet und von den Ratingagenturen, einer Art TÜV der Finanzbranche, entsprechend niedrig bewertet, mit BBB oder noch schlechter, werfen dafür aber auch die höchsten Zinsen ab. In der Mitte sind die sogenannten Mezzanine-Tranchen angesiedelt, ganz oben an der Spitze des Turms die Kreditbündel, für die es die geringsten Zinsen gibt, die aber eine sehr geringe Ausfallwahrscheinlichkeit haben und daher wie deutsche Staatsanleihen das höchste Gütesiegel AAA tragen. Genau das, was Pensionsfonds, Versicherungen usw. für ihre Anlage-Portfolios brauchen.
Um Wachstum und Gewinne zu steigern, sind die Banken, darunter an vorderster Front auch die Deutsche Bank, auf die Idee mit den CDO
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