Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Deutsche Bank evaluiert die ihr für die Liquiditäts-Linie überlassenen Sicherheiten und kommt zu erheblichen Abschlägen auf den aktuellen Marktwert. Am Donnerstag, dem 26 . Juli, hebt sie die Handelslinie der IKB auf.
Später kommt es zu einem Strafverfahren vor dem Düsseldorfer Landgericht wegen des Verdachts, mit dem Dementi vom 20 . Juli seien die Öffentlichkeit irregeführt und der Kurs manipuliert worden. Dabei behauptet der angeklagte ehemalige IKB -Chef Ortseifen, die Suspendierung der Kreditlinie durch die Deutsche Bank habe am Kapitalmarkt wie ein »Fanal« gewirkt, »eine Vertrauensstörung ausgelöst« und sein Institut in Schieflage gebracht.
Als die Frankfurter ihre Entscheidung trafen, war die Schieflage jedoch schon eingetreten, die IKB bereits »klinisch tot«, so BaFin-Chef Jochen Sanio. Nach der eigenen Bewertung der Rhineland-Papiere, erklärt Ackermann am 12 . Mai 2010 als Zeuge vor Gericht, »wussten wir, die IKB ist nicht zu halten. Und wir wollten schlechtem Geld nicht noch gutes hinterherwerfen.«
Am Freitagmorgen bittet Ortseifen Ingrid Matthäus-Maier, die Chefin der Frankfurter Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), mit 38 Prozent Hauptaktionär seiner Bank, bei dem Deutsche-Bank-Chef ein gutes Wort einzulegen und ihn zur Rücknahme des Stornos zu bewegen. Matthäus-Maier, gerade in der russischen Republik Tatarstan unterwegs, ruft den Schweizer daraufhin an. Der sagt ihr, er vermute, bei der IKB gebe es »eine Schieflage«. Die KfW-Vorstandsvorsitzende muss heftig schlucken: »Wenn Sie das sagen, glaube ich Ihnen das.«
Anschließend telefoniert Ackermann mit BaFin-Chef Jochen Sanio. Der, so der Deutsche-Bank-Chef in seiner Zeugenaussage, sei darüber »sehr dankbar« gewesen. Auch Matthäus-Maier bescheinigt später: »Ich sehe nicht, dass man hätte warten können.« Sanio veranlasst sofort eine Sonderprüfung bei dem Mittelstandsinstitut. Diese kommt zu demselben Ergebnis wie die Risikomanager der Deutschen Bank: Die IKB kann ohne Hilfe von außen nicht weitermachen. Es ist Samstag, der 28 . Juli 2007 , und die erste Rettungsaktion für eine Bank, der bald noch viele weitere folgen sollten, beginnt.
Josef Ackermann ist an diesem Tag in Leipzig. Am Vormittag nimmt er dort an der Graduierungsfeier des 20 . Absolventenjahrgangs der örtlichen Handelshochschule teil. Nach einem ökumenischen Festgottesdienst in der St. Trinitatiskirche hält er im Ballsaal des Westin-Hotels die Festrede. Der Schweizer lässt sich nicht das Geringste anmerken, dass sich ein paar hundert Kilometer weiter im Westen ein Drama abspielt. Scheinbar unbeschwert plaudert und lacht er mit den jungen Leuten und stellt sich mit ihnen zum Gruppenfoto vor die alte Handelsbörse. Zum ersten Mal wird mir bewusst, wie kaltblütig mein Chef sein kann, wenn es brenzlig wird.
Am Nachmittag fliegt Ackermann nach Frankfurt zurück. Es gilt, den ersten Bankenkollaps in Deutschland seit der Pleite der Kölner Herstatt-Bank im Jahre 1974 und eine Panik auf den Finanzmärkten zu verhindern.
Die Rettungsaktion koordiniert Peer Steinbrück ( SPD ), damals Bundesfinanzminister und Vorsitzender des Verwaltungsrats der KfW. Sein Vorgänger Oskar Lafontaine wirft ihm später vor, den »Schrotthandel« in Deutschland groß gemacht und damit die IKB in die Pleite getrieben zu haben. Steinbrücks zuständiger Abteilungsleiter und Vertreter der Bundesregierung im IKB -Aufsichtsrat, das heutige EZB -Präsidiumsmitglied Jörg Asmussen, hatte ihn am Samstag zu Hause in Bad Godesberg angerufen und darüber informiert, dass die BaFin am Montag ein Moratorium über die Bank verhängen müsse, falls dieser nicht sofort neues Kapital zugeführt werde. »Es begann das erste von mehreren Wochenenden«, so der Minister in seinem Buch über die Finanzkrise (»Unterm Strich«), »die wir später die regulatorischen Wochenenden nennen sollten.«
Den Beteiligten an der Telefonkonferenz zur Rettung der IKB am letzten Juli-Sonntag des Jahres 2007 habe er »die Frage gestellt«, erinnert sich der SPD -Politiker, »ob ein Ende mit Schrecken nicht besser sei als ein Schrecken ohne Ende«. Die Antwort von Josef Ackermann, Jochen Sanio, Ingrid Matthäus-Maier, Jörg Asmussen, dem Präsidenten des deutschen Sparkassen- und Giroverbands Heinrich Haasis, Bankenpräsident Klaus-Peter Müller und Bundesbank-Präsident Axel Weber sei einmütig gewesen: Mit einer Insolvenz könnten sich nicht nur »unkalkulierbare Übersprungsrisiken und Dominoeffekte auf
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