Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Ackermann plaudert mit Ex-Kanzler Helmut Kohl im VIP -Zelt über Gott und die Welt. Zwischendurch schaut auch die amtierende Regierungschefin vorbei. Als der Deutsche-Bank-Chef sich nach etwa zwei Stunden vom Altkanzler verabschieden will, um eine Runde auf dem Gelände zu drehen und andere Gäste zu treffen, lässt Kohl ihn nicht weg: »Bleiben Sie, wer weiß, welcher Armleuchter sich sonst zu mir setzt!« Deutschlands mächtigster Wirtschaftsführer folgt der Bitte und hält dem alten Kanzler der Einheit und des Euro brav den Teller mit den Häppchen.
Derweil verfolge ich das Kommen und Gehen der Mächtigen und Möchtegerne, stelle Charakterstudien an, die mit fortschreitender Zeit immer unvorteilhafter ausfallen, und bewundere im Stillen Sitzfleisch und Gleichmut meines Chefs. Als wir, inzwischen ist es schon spät am Abend und Helmut Kohl hat sich gerade verabschiedet, endlich zu dem geplanten Rundgang aufbrechen, fühle ich mich ausgelaugt. Josef Ackermann dagegen scheint so munter, als wäre er gerade erst gekommen. Die Menschen, auf die wir an den diversen Ständen treffen, sind erstaunt und angenehm überrascht, dem Chef der Deutschen Bank hier erstmals zu begegnen und bei Wurst und Wein zwanglos bis in den frühen Morgen plaudern zu können.
Bis dahin hatte sich der Schweizer auf derartigen Festen nie blicken lassen. Nicht etwa weil ihm nicht daran gelegen wäre oder er sich dort nicht wohl fühlen würde. Er ist durchaus gesellig. Und er genießt die Aufmerksamkeit und Bewunderung anderer Menschen. Es hatte ihn schlicht und einfach niemand ermuntert und ihm plausibel gemacht, wie nützlich es gerade für seinen Ruf, aber auch den der Bank sein kann, sich bei solchen Gelegenheiten sehen zu lassen.
Vertrauen, das Banker in besonderem Maße brauchen, setzt auch Vertrautheit voraus. Die Kommunikation des Hauses war bis dahin allerdings weitgehend auf den Kapitalmarkt und Finanzmedien fixiert, auf Frankfurt, London und New York. Berlin, Politik und Massenmedien hatten darin kaum Platz.
Weil es in der Hauptstadt, wo Tochter Catherine neuerdings arbeitet, gerade so schön ist, taucht Josef Ackermann am Abend danach unangemeldet gleich auch noch auf dem Sommerfest des Focus auf. Der damalige russische Botschafter Wladimir Kotenew, mit dem er unmittelbar zuvor ein Gespräch hatte, überredet ihn kurzerhand mitzukommen. Der Schweizer fühlt sich auch hier pudelwohl, wie das später oft gedruckte Foto mit Sonnenbrille zeigt, auf dem er aussieht wie ein griechischer Reeder. Und er spürt sich in seiner Hoffnung bestärkt, für die Deutschen doch kein hoffnungsloser Fall zu sein.
Josef Ackermanns Zuneigung zu Deutschland ist echt und hat tiefe Wurzeln in Bildung und Erziehung. Der Mannesmann-Prozess und die öffentliche Begleitmusik dazu hatten ihm nicht zuletzt auch deswegen so heftig zugesetzt, weil er sich durch sein Gastland zurückgewiesen sah. So kam es zu der zornigen Bemerkung beim Verlassen des Gerichtssaals in Düsseldorf.
Umso größer ist später dann seine Genugtuung, etwa bei den Feierlichkeiten zum 20 -jährigen Jubiläum des Mauerfalls am 9 . November 2009 in Berlin, mit Helmut Kohl, George Bush und Michail Gorbatschow am Prominententisch mit dabei zu sein. Die Freude darüber steht ihm ins Gesicht geschrieben. Noch Wochen danach kommt er immer wieder auf diesen Tag zurück. »Ich glaube nicht, dass ein Nicht-Schweizer in der Schweiz zu einem solchen Anlass einen solch prominenten Platz bekäme«, sagt er.
Während Josef Ackermann im Sommer 2007 sichtbar die lange vermisste öffentliche Hinwendung zu seinem Gastland vollzieht und bei den Deutschen dafür Sympathie-punkte sammelt, häufen sich die Warnsignale vor kommendem Unheil auf den Finanzmärkten: Ratingagenturen fangen an, mit Hypothekenkrediten unterlegte Wertpapiere herabzustufen, und die Prämien für Kreditversicherungen, im Fachjargon: Credit Default Swaps ( CDS ), steigen.
Doch auch das tut der guten Stimmung keinen Abbruch. Dax und Dow-Jones-Index erklimmen Mitte Juli neue historische Höchststände. Henning Gebhardt, Fondsmanager bei der Deutsche-Bank-Tochter DWS , sieht den deutschen Aktienindex für 2010 bereits bei 10 000 Punkten.
Anshu Jain, damals Co-Chef des Investmentbankings der Deutschen Bank und heute zusammen mit Jürgen Fitschen Co-Chef der Gesamtbank, lässt bei einer Konferenz in Barcelona zur Unterhaltung seiner Kunden für ein Millionen-Honorar die Rolling Stones aufspielen. Die weltberühmte Rock-Gruppe hatte
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