Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
grundlegenden Mangel an marktwirtschaftlichem Verständnis. »In einer Wettbewerbsgesellschaft werden Renditeziele nicht im gesellschaftlichen Konsens, ja nicht einmal vom Management festgelegt, sondern vom Markt.« Unternehmen stünden »im Wettbewerb um die Gunst der Anleger, sie müssen daher eine mit den Besten der Branche vergleichbare Rendite erzielen«, sonst seien sie vom Untergang bedroht. Gewinn sei zwar »nicht alles«, aber ohne ausreichenden – und das heißt für ein globales Unternehmen global wettbewerbsfähigen – Gewinn »kann es auf Dauer auch keine wettbewerbsfähigen Produkte und Dienstleistungen anbieten, die bestehenden Arbeitsplätze nicht erhalten, geschweige denn neue schaffen, keine Risiken übernehmen und Wachstum fördern, keine Steuern zahlen und so insgesamt seine Zukunft nicht sichern und seiner gesellschaftlichen Aufgabe nicht gerecht werden«. Er könne daher, so der Deutsche-Bank-Chef, »nicht erkennen, was an einer solchen Rendite unmoralisch sein soll«.
In der Debatte werde schließlich völlig außer Acht gelassen, klagt Ackermann, dass sich ein globales Unternehmen nicht nur nach den sozialen Vorstellungen des Heimatlandes richten könne, sondern eine Verantwortung allen Ländern gegenüber habe, in denen es tätig ist. »Was in Deutschland gesellschaftlich erwünscht ist oder gefordert wird, muss es deswegen woanders noch lange nicht sein.«
Ich teile die Argumente meines Chefs, erinnere ihn jedoch daran, dass Deutschland nun mal eine Industrie- und keine Finanznation ist. Dass die Soziale Marktwirtschaft nicht zufällig von Deutschen erfunden wurde und diese Wettbewerb und Gewinn mehrheitlich nur in Maßen akzeptieren und deshalb auch manch unangenehme Begleiterscheinung der Globalisierung verdrängen oder offen ablehnen.
Dies gilt umso mehr, wenn es um eine nationale Ikone wie die Deutsche Bank geht, die auch noch den Namen des Landes führt: Wo deutsch draufsteht, soll auch deutsch drin sein. Sosehr der Bank ihr Heimatstandort und Name gerade in den Wachstumsregionen der Welt wie Asien und Südamerika zum Vorteil gereicht, hier zeigt sich, dass er auch mit Nachteilen verbunden ist. Alles hat eben seinen Preis.
Alles schön und gut, sagt Josef Ackermann dazu. Doch er will sich nicht einfach damit abfinden. Die Bank, so sein Auftrag an mich, müsse den Bundesbürgern ihre Position besser erklären. Auch einen Chef mit offenem Ohr zu haben, hat seinen Preis. Es artet leicht in Mehrarbeit aus.
Die verspätete Aufklärungsoffensive der Bank in Sachen 25 Prozent hat nur bescheidenen Erfolg. Auch die Tatsache, dass viele brave Mittelständler diese Marke erreichen und sogar übertreffen, demnach eigentlich ebenso als gierig gelten müssten, vermag die Kritiker nicht zum Schweigen zu bringen. Sie wechseln einfach die Argumentation und wenden nun ein, dass Mittelständler ja nicht systemrelevant seien und deshalb auch nicht vom Steuerzahler vor der Pleite gerettet werden müssten, wenn sie zu viel riskieren.
Das ist zwar richtig, unterstellt jedoch, dass sich 25 Prozent von Banken nur mit unvertretbar hohem Risiko erzielen lassen – was nicht zutrifft. Im relativ risikoarmen weltweiten Zahlungsverkehrsgeschäft etwa oder in der Vermögensverwaltung, wo nur wenig Eigenkapital nötig ist, lässt sich weit mehr verdienen. Außerdem lässt es außer Acht, dass die Deutsche Bank genau wegen ihrer so guten Rendite nicht vom Steuerzahler gerettet werden musste.
Josef Ackermann ist jedenfalls alles andere als ein Hasardeur. Er hält es eher mit Murphys Gesetz: Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen. Der Schweizer überlässt nichts dem Zufall, er geht gerne auf Nummer sicher. Das gilt für seinen Umgang mit Journalisten und der Öffentlichkeit. Und das gilt auch – und vor allem – in Gelddingen. Verglichen mit dem Durchschnitt seiner Zunft ist er eher risikoscheu.
Lange wagt sich der Deutsche-Bank-Chef etwa nicht an große Zukäufe im Privatkundengeschäft heran – der Preis und das Risiko sind ihm zu hoch. Eine Bank zu führen, so erklärt er immer wieder, erfordere »ständig ein schwieriges Abwägen zwischen Ertrag und Risiko«. Einerseits habe, wer alle Risiken vermeide, »bald keine Risiken mehr zu vermeiden, denn er ist aus dem Geschäft«. Andererseits dürfe man aber auch »nie mehr Risiken eingehen, als man im schlimmsten Fall tragen kann«.
So ehrgeizig die Ziele sind, die sich der Schweizer gesteckt hat, so bewusst sind ihm die damit verbundenen
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