Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Leben, davon lebt doch unser System!«
25 Prozent sind für Josef Ackermann im Übrigen »kein Wert an sich«. Wenn für alle Spieler andere Regeln gelten, darf es durchaus auch weniger sein. »Ich kann aber nicht aus Solidarität mit den Schlechten langsamer laufen als die Besten, dafür werde ich nicht bezahlt«, so der Bankchef. Und: »Hätten wir diese Profitabilität nicht gehabt, hätten wir die Krise nicht ohne Geld vom Steuerzahler gemeistert.«
Für die Debakel bei anderen Geldinstituten fühlt er sich nicht verantwortlich, jeder müsse selbst wissen, was er sich zumuten könne, niemand dürfe auf der Jagd nach Rendite mehr Risiken eingehen, als er tragen könne. Und: »Natürlich muss der Wettstreit sauber und fair sein, niemand darf die gültigen Regeln und Gesetze verletzen oder sich unethisch verhalten. 25 Prozent Eigenkapitalrendite lassen sich aber auf absolut saubere Weise erreichen, wie ja auch viele deutsche Mittelständler beweisen.«
So richtig das ist – die Krise und insbesondere die lange Liste von Rechtsstreitigkeiten und Reputationsproblemen, mit denen das Institut vor allem seit dem Jahr 2011 zu kämpfen hat, verfestigen die Kritik an Ackermanns Renditemarke und werfen dunkle Schatten auf die strahlenden wirtschaftlichen Erfolge in den Jahren zuvor.
Zwar hat auch die Konkurrenz mit mehr oder weniger denselben Schwierigkeiten zu kämpfen. Und bekanntlich sind gerade Amerikaner eifrige Kläger. In ihrem Rechtssystem können sie sich gute Chancen auf einen Vergleich ausrechnen, um so zumindest einen Teil des verlorenen Geldes zurückzubekommen. Außerdem ist, wer klagt, damit noch längst nicht auch schon im Recht. Wenn allerdings zu den Klägern neben Einzelpersonen, Geldinstituten, Versicherungen, Kommunen und Pensionsfonds auch das US -Justizministerium und die Bankenaufsichtsbehörde FDIC zählen; wenn die Klagen sich rund um den gesamten Erdball erstrecken; wenn Prozessrisiken Milliarden an Rückstellungen erfordern und ihre Aufzählung im Geschäftsbericht der Bank mehrere Seiten füllt; wenn jenseits von rechtlichen Auseinandersetzungen auch immer wieder ethisch fragwürdiges Verhalten zum Thema öffentlicher Debatten wird – dann wirft das schwerwiegende Fragen auf: Wurde der Erfolg auf unsaubere Weise erkauft? Was ist schiefgelaufen? Und: Wer ist dafür verantwortlich?
Diese Fragen hat sich auch Josef Ackermann gestellt. Zunächst noch zögernd, dann aber, als sich die Rechts- und Reputationsprobleme häufen, immer dringlicher.
Das Sünden-Register beginnt 2007 mit den sogenannten Zinsswaps, hochspekulativen, komplexen Derivaten, die es zahlreichen deutschen Kommunen – unter ihnen Städte wie Würzburg und Ravensburg, Pforzheim und Hagen – sowie Hunderten von mittelständischen Unternehmen im ganzen Land erlauben sollen, ihre Zinslast zu verringern. Dabei tauschen die Käufer im Kern feste gegen variable Zinsen und setzen darauf, dass die langfristigen Zinsen stärker steigen als die kurzfristigen. Als es im Vorfeld der Finanzkrise anders kommt und sich Millionenverluste auftürmen, fühlen Stadtkämmerer und Firmenchefs sich plötzlich falsch beraten und klagen auf Schadenersatz.
Obwohl zwei Drittel der Swaps auf Anregung der Kommunen selbst zustande gekommen waren und viele damit Gewinn erzielt hatten, entwickelt sich das scheinbar so smarte Produkt für die Bank zum Rohrkrepierer. Es kostet nicht nur viele Millionen an Schadenersatz, sondern fügt auch der Ambition der Bank, bevorzugter Partner des deutschen Mittelstands zu sein, erneut schweren Schaden zu.
Zudem wirft es die grundsätzliche Frage auf, wie weit die Beratungs- und Fürsorgepflicht einer Bank gegenüber ihren Kunden reicht. Die Ansichten dazu gehen weit auseinander. Die einen, wie die Frankfurter Allgemeine , erinnern daran, dass ein Metzger seinen Kunden ja auch Fleisch und Wurst verkaufe, ohne »erst einmal einen Cholesterintest« zu verlangen. Ein Geldinstitut, so dagegen etwa der Jura-Professor Matthias Lehmann unter Verweis auf den »unkörperlichen Charakter« von Finanzprodukten, unterliege besonderen Informationspflichten.
In den folgenden Jahren schließt die Bank zahlreiche Vergleiche. Unterschiedliche Gerichte entscheiden in verschiedenen Instanzen zu ihren Gunsten und gegen sie. Offenbar war die Information der Kunden nicht in allen Fällen gleich gut oder zumindest gleich gut dokumentiert. Im März 2011 entscheidet der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, das Geldhaus sei in dem von ihm zu
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