Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Trophäen vorzeigen.
Ackermann hat keine Yacht in St. Tropez, kein Weingut im Bordelais, keinen Aston Martin in der Garage. Stattdessen einen BMW X 6 für die Autobahn, einen Fiat Cinquecento für die Stadt und einen schon betagten 911 er Porsche für eine gelegentliche Spaß-Ausfahrt. Ein guter Roter zum Essen, danach eine Havanna oder Cohiba, gelegentlich mal in die Tasten des schwarzen Steinway-Flügels zu Hause greifen und La Traviata schmettern oder im Konzerthaus einer Verdi-Oper lauschen – das ist sein Luxus.
Von den Millionen auf seinem Konto spendet er beträchtliche Summen, etwa für die Sanierung des Münchner Cuvilliés-Theaters oder die Erweiterung des Frankfurter Städel-Museums. Zudem hilft er privaten Bittstellern, deren Briefe fast täglich auf seinem Schreibtisch landen, immer wieder mit kleineren Beträgen. Wie ich selbst feststellen kann, berühren Josef Ackermann besonders Schicksale, bei denen Menschen unverschuldet in Not geraten und sich trotz größter Anstrengungen nicht daraus zu befreien vermögen.
Kaum etwas kränkt den Schweizer denn auch mehr als der Vorwurf, aus Geldgier ein Tempo vorgelegt zu haben, das andere Banken, wie etwa die IKB , nicht bewältigen konnten, und auch deswegen Mitschuld an der Finanzkrise zu tragen. Dass er seinem Ehrgeiz gefolgt und ein anspruchsvolles Gewinnziel für die Bank angestrebt hat, um mit ihr erfolgreich zu sein, dass er Fehler gemacht und so manches falsch eingeschätzt hat – d’accord. Aber Geldgier? Nein! »Ich hätte doch auch ein weniger ambitioniertes Ziel als die 25 Prozent nennen können«, sagt er, »dann hätte ich einen noch höheren Bonus bekommen«.
Selten habe ich Josef Ackermann so aufgebracht erlebt wie in den Weihnachtstagen des Jahres 2008 . Am Pool des Sofitel-Hotels im thailändischen Seebad Hua Hin, wo ich mit meiner Familie Urlaub mache, erreicht mich Heiligabend auf meinem Blackberry die Nachricht, dass der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, Bischof Wolfgang Huber, das Renditeziel des Deutsche-Bank-Chefs als »eine Form des Götzendienstes« bezeichnet hat, die ihn an den »Tanz ums Goldene Kalb« erinnere. Es zeige, dass »Geld zum Gott« geworden sei. In dem Moment wusste ich: Fröhliche und friedliche Weihnachten würden das nicht mehr werden.
Ich gebe die Nachricht sofort per SMS an meinen Chef weiter, der die Feiertage zu Hause in Zürich verbringt. Bald darauf habe ich ihn am Telefon. Der Schweizer, den Linken-Chef Lafontaine kurz zuvor bereits mit einem »Boss der Drogenmafia« verglichen hatte, sieht sich in die schlimmsten Zeiten des Mannesmann-Prozesses zurückversetzt und ein neues Kesseltreiben gegen sich im Gang. Seine Stimmung, ohnedies schon seit Wochen angespannt, weil der Bank der erste Verlust in seiner Amtszeit droht, nähert sich dem Gefrierpunkt. Trotz der tropischen Temperaturen am Golf von Thailand beginne ich zu frösteln.
Wir sind uns schnell einig, dass der scharfe Angriff des Kirchenmanns nicht unwidersprochen bleiben kann, und verabreden eine kühle und kurze Stellungnahme: »Die Deutsche Bank betrachtet die persönliche Attacke von Bischof Huber auf ihren Vorstandsvorsitzenden sowohl in der Sache wie in der Form als unangebracht.« Die Veröffentlichung verschieben wir jedoch auf den zweiten Feiertag. Das Kalkül dabei: Die Menschen goutieren Streit über Weihnachten nicht. »Solche Debatten«, kommentiert die Bild -Zeitung, beginne man »nicht, indem man Weihnachten einen einzelnen Banker öffentlich ans Kreuz nagelt«.
Bischof Huber muss bald erkennen, dass er überzogen hat, und entschuldigt sich für seinen »persönlichen Angriff«. Beim Abschied des Deutsche-Bank-Chefs findet der Kirchenobere sogar ausgesprochen lobende Worte für den Mann, den er einmal als Götzendiener bezeichnet hatte: »Josef Ackermann hat eine systemrelevante Bank geleitet. Der öffentlichen Verantwortung, die sich damit verbindet, hat er sich gestellt. Dafür gebührt ihm Dank. Gerade die, die sich mit ihm gestritten haben, werden ihn noch sehr vermissen.«
Fest steht: Wäre der Schweizer mit der Deutschen Bank nicht ehrgeizig und konsequent den Weg ins Investmentbanking gegangen, wären ihm zwar die Vorwürfe erspart geblieben, mit zur Finanzkrise beigetragen zu haben. Europas größte Volkswirtschaft stünde heute aber ohne ein einziges Geldinstitut von internationaler Bedeutung da. »Ist es Gier« fragt der Schweizer, »wenn man möglichst erfolgreich sein will? Das will doch jeder im
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