Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Gefahren, etwa infolge des hohen Schuldenhebels. Und deshalb will er sie so genau wie möglich kennen. Seinen Vorstandskollegen Hermann Josef Lamberti, einen ehemaligen IBM -Manager, lässt er Milliarden in eine Informationstechnologie investieren, die schnell Auskunft darüber gibt, wo das Institut steht. Jeden Tag bekommt er so einen zeitnahen Überblick über die finanzielle Lage seines Hauses. Für das relativ gute Abschneiden in der großen Finanzkrise sollte dies von größter Bedeutung sein.
Seinem Risikochef und Landsmann Hugo Bänziger, wie er früher bei der Credit Suisse tätig, räumt Josef Ackermann eine besonders starke Stellung im Vorstand ein. Er ist dort faktisch die Nummer zwei und in der Finanzkrise der wichtigste Berater des Vorsitzenden. Wann immer Bänziger Bedenken äußert, schließt sich der Vorstandsvorsitzende seinem Votum an. Nicht ein einziges Mal, so sagt er, habe er in Risikofragen gegen den Kollegen entschieden.
Josef Ackermann ist auf möglichst hohen Gewinn aus, aber er steht für Shareholder Value, nicht für Sharehopper Value. In einem Aufsatz in der Neuen Zürcher Zeitung hatte er schon Anfang Januar 2003 deutliche Kritik daran geübt, dass das Shareholder-Value-Konzept von manchen »in zu stark vereinfachender, kurzfristiger Art und Weise verfolgt« werde und eine »Rückbesinnung auf dessen Kerngedanken«, die »nachhaltige Steigerung des Unternehmenswerts«, als »oberstes Ziel der Unternehmensführung« gefordert.
Der Schweizer ist auch keiner von den Menschen, die »für Geld jeden Preis« zahlen, wie es der Philosoph Arthur Schopenhauer ausdrückte. Geld macht den Geldmann nicht glücklich. In einer Branche, in der es das Maß aller Dinge ist, sucht er sein Glück woanders: »Als ehrgeiziger Mensch bin ich glücklich, wenn ich mit dem, was ich tue, erfolgreich bin«, sagt er.
Wäre er vor allem auf Geld erpicht, hätte Ackermann es etwa leicht einrichten können, sein Gehalt nicht in Deutschland zu versteuern. Natürlich lässt ihn Geld auch nicht völlig kalt, als Anerkennung seiner Bedeutung und Garant seiner Unabhängigkeit ist es ihm durchaus willkommen und wichtig: »Geld, das habe ich beim Mannesmann-Prozess erlebt, heißt für mich Sicherheit und Unabhängigkeit. Ich kann den Weg gehen, den ich für richtig halte. Das gibt unglaublich viel Souveränität. Und das ist Reichtum.« Josef Ackermanns Reichtum ist vor allem Freiheit, die Freiheit, »der eigenen Natur gemäß« und »nur der Sache« leben zu können, wie der Soziologe Georg Simmel in seinem Standardwerk »Die Philosophie des Geldes« dessen schönsten Nutzen beschreibt.
Auf die Frage, ob dafür ein zweistelliges Millionensalär pro Jahr erforderlich ist, erkennt der Deutsche-Bank-Chef an, dass »der Normalbürger« ein zweistelliges Millionengehalt »natürlich nicht nachvollziehen kann«. Aber macht wie zur Entschuldigung zugleich darauf aufmerksam, dass er sich seine Vergütung ja nicht selbst genehmige. Zudem verdienten seine Kollegen an der Spitze von US -Banken locker das Dreifache. Ohne einen gewissen »Marktwert« würde er in der Branche, aber auch im eigenen Haus »jeden Respekt verlieren«.
Auf der jüngsten Liste der 300 reichsten Schweizer des Wirtschaftsmagazins Bilanz rangiert Josef Ackermann auf Platz 275 – mit geschätzten 150 Millionen Franken (gut 120 Millionen Euro) Vermögen. Er könnte also in Saus und Braus leben. Aber Prassen und Prunken ist nicht seine Sache. »Alles Abgehobene mag ich überhaupt nicht. Ich mache mir nichts aus Luxus«, sagt er.
Jedenfalls nichts aus Luxus in seiner vulgären Form. Der Schweizer pflegt lieber das Understatement, lebt für seine Verhältnisse eher sparsam und bescheiden. »Als ich nach dem Studium mit umgerechnet 20 000 Mark im Jahr angefangen habe«, sagt er, »habe ich mich sehr reich gefühlt. Heute verfüge ich über ein Vielfaches davon. Brauche ich das? Nein. Gebe ich das aus? Auch nicht.«
Ein modernes, aber keineswegs imposantes, mit viel Kunst ausgestattetes Haus in bester Lage nahe dem Grand Hotel Dolder am Hang des Zürichbergs mit Blick auf Stadt, See und Berge, ein rustikales Ferienhaus im wildromantischen Tessiner Centovalli-Tal und ein schickes Apartment im Wohn-Turm des Museum of Modern Art in Midtown Manhattan, das sind seine wesentlichen Besitztümer. Viel für einen einfachen Bürger gewiss, sehr viel. Aber wenig im Vergleich zu den meisten seiner Kollegen rund um die Welt. Selbst mancher Zahnarzt kann da stattlichere
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