Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Grauzonen« bewege.
In seiner vierteljährlichen Video-Botschaft an alle Mitarbeiter ebenso wie in seinem Editorial für das Mitarbeitermagazin Forum geht der Bankchef ebenfalls auf das Thema ein, das ihn seit Seoul umtreibt wie kein zweites: »Sosehr wir uns darauf konzentrieren, unser Gewinnpotential voll auszuschöpfen, dürfen wir darüber doch nicht vergessen, wie wichtig es ist, immer mit absoluter Integrität und sozial verantwortungsbewusst zu handeln.« Die Bank könne »erfolgreich sein – und zugleich alle Regeln einhalten sowie ein Verhalten an den Tag legen, das über jeden Zweifel erhaben ist. Das ist ›Leistung aus Leidenschaft‹ im besten Sinn.«
Doch begangene Sünden lassen sich nicht mehr ungeschehen machen. Vor allem in den USA hagelt es Rechtsklagen. Im Mai 2011 zerrt sogar die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika das größte deutsche Geldinstitut vor das Bundesgericht in New York und fordert Schadenersatz in Höhe von mehr als einer Milliarde Dollar. Der Vorwurf: Mortgage IT , der amerikanische Hypothekenfinanzierer der Deutschen, soll auf grob fahrlässige Weise, wenn nicht gar vorsätzlich, falsche Angaben zur Bonität von Kreditnehmern gemacht und so unberechtigt von staatlichen Fördermitteln profitiert haben. Während das Institut beim Weiterverkauf staatlich garantierter Hypotheken beträchtliche Gewinne erzielt habe, sei der amerikanische Staat für darauf ausgestellte Garantien in Höhe von Hunderten Millionen Dollar in Anspruch genommen worden.
Die Bank hatte den Immobilienfinanzierer im Januar 2007 für 430 Millionen Dollar erworben, um sich eine vermeintlich »stetige Produktquelle« für die CDO -Maschine zu sichern. In der später ergänzten Klageschrift der Regierung heißt es: »Obwohl die Deutsche Bank von dem unrechtmäßigen Verhalten von Mortgage IT wusste, hat sie den Kauf getätigt und damit ausdrücklich alle bestehenden Rechte und Pflichten des Unternehmens erworben.« Die Verfehlungen seien nach dem Kauf sogar »noch schlimmer geworden«.
Mortgage IT sollte sich, nicht nur wegen der Klage der US -Regierung, als schlimme Fehlinvestition herausstellen. Josef Ackermann ärgert sich noch heute darüber, dass er »trotz eines unguten Gefühls«, wie er sagt, der Akquisition am Ende zugestimmt hat. »Aus unserer Sicht bietet der US -Immobilienmarkt«, so das zuständige GEC -Mitglied Anshu Jain beim Erwerb, »signifikantes Geschäftspotential«. Im Juli des Vorjahres hatte er schon erklärt: »Wir glauben, dass die vertikale Integration eines führenden Hypothekenfinanzierers wie Mortgage IT signifikante Wettbewerbsvorteile bieten wird.«
Zu dem Zeitpunkt steigen die Ausfallraten für Hypothekenkredite aber bereits kräftig an, das Ende des Immobilienbooms zeichnet sich ab. Schon in ihrem ersten Jahr im Besitz der Deutschen macht die Firma rund 300 Millionen Dollar Minus, Ende 2008 muss sie abgewickelt werden. Und obwohl die Deutsche Bank jedes Fehlverhalten bestreitet, endet die Klage der US -Regierung, wie so viele, mit einem Vergleich. Er kostet das Institut weitere 200 Millionen Dollar.
Viel Aufsehen erregt auch die Klage von Los Angeles gegen die Deutsche Bank, die über eine Tochterfirma in Kalifornien Treuhänder für etwa eine Million private Immobilien im Lande ist. Carmen Trutanich, die zuständige Staatsanwältin in Los Angeles, wirft dem Geldhaus vor, der »größte Slumlord« der Stadt zu sein. Es lasse Tausende widerrechtlich geräumter Häuser verwahrlosen und habe einen Schaden in Höhe von mehreren Hundert Millionen Dollar angerichtet.
Die Bank wehrt sich. Sie sei der falsche Adressat. Als sogenannter Trustee halte sie die Eigentumstitel auf die Häuser nur für Rechnung der Investoren (Pensionsfonds, Versicherungen und andere) und zahle diesen die Zins- und Tilgungsleistungen der Kreditnehmer aus. Für Zwangsräumungen und Erhalt der geräumten Häuser seien andere Dienstleister, sogenannte »Loan Servicer«, verantwortlich.
Das Trustee-Geschäft hatte die Bank seinerzeit mit Bankers Trust geerbt. Es schien eine nicht besonders lukrative, dafür aber risikoarme und verlässliche Einnahmequelle zu sein. Doch in der großen Immobilienkrise zeigt sich der Pferdefuß. Unter dem Eindruck der heftigen öffentlichen Schelte wünscht sich Josef Ackermann, er hätte das Geschäft, eine Randaktivität für die Bank, verkauft: »Wer hätte geahnt, dass wir jemals in eine solche Situation kommen würden?«
Zwei Jahre lang haftet dem Institut das
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