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Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Titel: Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Baron
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Slumlord-Etikett an, zahllose Medienbeiträge beschäftigen sich immer wieder mit dem Thema. Als die Bank im Sommer 2013 von allen Vorwürfen freigesprochen wird, ist das den meisten Medien dagegen nur eine kurze Notiz wert. Die Deutsche Bank muss keinen Cent zahlen, der Reputationsschaden, der durch die Berichterstattung eingetreten ist, lässt sich jedoch nicht beziffern.
    Mit der steigenden Klageflut schwillt die öffentliche Kritik generell an: Die Bezichtigungen, schreibt etwa die Börsenzeitung , seien für die Bank »von kolossaler Tragweite, in juristischer wie in finanzieller und nicht zuletzt in moralischer Hinsicht. Fehlt es am Unrechtsbewusstsein? Oder vielleicht am Rechtsbewusstsein?«
    Josef Ackermann schmerzt die Kritik – ob sie zu Recht oder zu Unrecht erfolgt. Er muss sich vorkommen wie der Zauberlehrling in Goethes berühmter Ballade: Die Geister, die er gerufen hat, wird er nun nicht mehr los. Ihm ist zu diesem Zeitpunkt längst klar, dass der Boom neuer Finanzinstrumente wie Derivate und die Möglichkeit zum Auslagern von Risiken mittels Verbriefung eine Kultur gefördert haben, die teilweise unverantwortliches Handeln mit sich brachte. Er sei nach wie vor davon »überzeugt, dass die allermeisten Produkte und Dienstleistungen des Investmentbankings gerade in der globalen Welt von heute großen Nutzen stiften können«, sagt er. »Eine Reihe von Produkten und Aktivitäten« aber habe »keinen wirklichen Nutzen gestiftet«, ja sie seien »teilweise sogar schädlich gewesen«. Dieser Kritik müsse sich die Branche stellen, »und dieser Kritik stelle auch ich mich«.
    Der Nutzen eines Produktes lasse sich »nicht immer im Vorhinein mit Sicherheit beurteilen«, sondern stelle sich oft erst in der Praxis heraus. Manager und Unternehmer müssten sich jedoch bei Innovationen »nach Kräften um das rechte Maß bemühen: Sind wir zu vorsichtig, versagen wir bei unserer Aufgabe, das mögliche Wachstum und den möglichen Fortschritt zu finanzieren. Gehen wir zu forsch vor, können wir großen Schaden anrichten.«
    Ackermann fordert daher, alle Banken sollten künftig jedes zu verkaufende Produkt nach denselben Kriterien prüfen, als würden sie es selbst behalten wollen. Risiken, die verkauft werden, dürften nicht anders bewertet werden als Risiken, die in den eigenen Büchern stehen. »Wenn wir selbst von dem kosten müssen, was wir kochen«, so der Deutsche-Bank-Chef, »kann das der Qualität nur bekömmlich sein.«
    Anders als etwa Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein, der sich einem Reporter der britischen Sunday Times gegenüber als Vollstrecker von »Gottes Werk« rechtfertigt, erkennt der Deutsche-Bank-Chef an, dass die Finanzinnovationen der Vergangenheit eine Reihe ungeahnter und unerwünschter Risiken und Nebenwirkungen mit sich brachten. Er ist bereit, Verantwortung dafür zu übernehmen, zeigt tätige Reue. Der Werte-Kompass, den ihm seine Eltern fürs Leben mitgegeben haben, weist ihm nach manchen Irrungen und Wirrungen schließlich den rechten Weg.

Kapitel 4
Der Kompass fürs Leben
    Josef Meinrad Ackermann wird am 7 . Februar 1948 als erster Sohn des Landarztes Karl Ackermann und der Krankenschwester Margrith (»Gritli«) Ackermann-Isler im Spital von Walenstadt im Kanton St. Gallen per Kaiserschnitt geboren. Im Abstand von jeweils einem Jahr darauf kommen seine beiden Brüder Karl und Daniel zur Welt.
    Seine Kindheit verbringt »Seppi«, wie der junge Josef gerufen wird, in der Landgemeinde Mels im Sarganserland, wo die Ackermanns, einfache und rechtschaffene Leute, seit Generationen zu Hause sind. Sein Vater hat in Mels ein großes Wohnhaus mit Arztpraxis gebaut. Dort leben auch die Eltern der Mutter, beide aus dem Gastgewerbe, in einem Drei-Generationen-Haushalt mit ihnen unter einem Dach.
    Der Ort, gut 6000 Einwohner groß und weit überwiegend katholisch, ist kein heimeliges Dorf aus dem Schweizer Bilderbuch. Allenfalls das große Kapuzinerkloster und die jährliche »Alpabfahrt« des Viehs mit »Tschäppeln« (Blumenschmuck) und »Plümpen« (Glocken) von der Sommerweide im nahen Weißtannental geben ein Postkartenmotiv her. Auch von der einstigen Industrietradition des Ortes, vor allem in der Textilproduktion, ist kaum etwas übrig geblieben. Mels ist für Reisende kein Platz zum Verweilen, sondern eine Station am Wegesrand.
    Unmittelbar neben dem Elternhaus von Josef Ackermann, nur durch den Garten und einen Weg vom Haus getrennt, verläuft die Bahnlinie von Zürich nach Chur und

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