Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Titel: Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Baron
Vom Netzwerk:
entscheidenden Fall als »Wettgegnerin« ihres Kunden aufgetreten, ihr Gewinn »der spiegelbildliche Verlust der anderen Seite«. Zudem habe sie »die Risikostruktur des Geschäfts bewusst zulasten des Kunden und zu ihrem Vorteil gestaltet, um das Risiko gewinnbringend weiterzuverkaufen«. Als Beraterin sei sie jedoch verpflichtet, die Interessen ihrer Kunden zu wahren.
    In ihrer Urteilsbegründung verlangen die Richter, die Bank müsse ihren Kunden »in verständlicher und nicht verharmlosender Weise« vor Augen führen, dass das für sie nach oben unbegrenzte Verlustrisiko »nicht nur ein theoretisches ist, sondern real und ruinös sein kann«. Es müsse ferner eine »eindeutige Aufklärung darüber« geben, »dass das Chance-Risiko-Profil zwischen den Teilnehmern der Zinswette unausgewogen ist«. Die Frankfurter Allgemeine sieht Deutschlands größtes Geldinstitut durch das Urteil des höchsten deutschen Gerichts gar abgekanzelt »wie eine halbkriminelle Bande von Lausbuben«.
    Die ersten Klagen um die Zinsswaps Jahre zuvor hatte Josef Ackermann noch heruntergespielt: »Jeder, der Geld verloren hat, wird sagen, er wurde schlecht beraten.« Dies sei zwar menschlich, er finde das aber »abscheulich«. Umgekehrt sei niemand, der Geld verdient habe, jemals zu ihm gekommen und habe gesagt, er gebe es zurück, es stehe ihm nicht zu, er habe das Produkt nicht verstanden.
    Mit den sich häufenden Rechtsstreitigkeiten wird der Schweizer jedoch immer nachdenklicher, schlägt andere Töne an und zieht Konsequenzen. Zum Zeitpunkt des BGH -Urteils etwa hatte die Bank längst ihre internen Richtlinien für den Verkauf von komplizierten Derivaten verschärft.
    Den letzten, entscheidenden Schub in diesem Bewusstwerdungsprozess des Schweizers bringt ein Vorgang in Südkorea. Am 10 . November 2010 versammeln sich die Staats- und Regierungschefs der G 20 -Staaten in Seoul. Auf Einladung der Regierung des Landes treffen sich aus diesem Anlass erstmals auch Top-Manager internationaler Unternehmen zu einem G 20 -Wirtschaftsgipfel. Josef Ackermann sitzt gerade mit dem Gastgeber, Staatspräsident Lee Myung-Bak, am Haupttisch beim Dinner, als sich die Nachricht verbreitet, die Börse des Landes sei in den letzten Minuten des Handels abgestürzt. Grund: ein Derivate-Geschäft der Deutschen Bank.
    Der Schweizer sieht sich von seinen eigenen Leuten vor aller Welt bloßgestellt. Vor Ort beim Dinner macht er noch gute Miene zum bösen Spiel und bewahrt Haltung. Doch ins Hotel zurückgekehrt, lässt er ordentlich Dampf ab. So erbost habe ich meinen Chef seit der weihnachtlichen Attacke des Bischofs Huber zwei Jahre zuvor nicht mehr erlebt. Er fragt sich, ob die zunehmenden Rechtsstreitigkeiten nur auf wenige schwarze Schafe, die es in Großorganisationen immer gibt, zurückzuführen oder aber Ausfluss eines Ungeistes seien, der sich in den Jahren vor der Krise in der Branche ausgebreitet und auch in manchen Ecken seines Hauses eingenistet hat. An diesem Abend in Seoul, so scheint mir, ist in ihm etwas zerbrochen. Er ist tief enttäuscht, fühlt sich hintergangen. Zum ersten Mal spricht Josef Ackermann mir gegenüber von einer »schädlichen Geldkultur« und »Verantwortungslosigkeit« auch in den eigenen Reihen.
    Im Februar 2011 untersagt die südkoreanische Börsenaufsicht der Deutschen Bank für sechs Monate den Handel mit Derivaten, die höchste Strafe, die an der Börse des Landes je verhängt wurde. Später wird das Institut von der örtlichen Staatsanwaltschaft angeklagt, den Markt manipuliert zu haben.
    Beim Führungskräfte-Briefing zu den Ergebnissen des ersten Quartals 2011 Ende April fragt ein Mitarbeiter den Bankchef, was er denn zu der steigenden Klageflut zu sagen habe. Dem kommt die Frage offenbar wie gerufen. Während es in dem Konferenzraum mucksmäuschenstill wird, macht Ackermann minutenlang seinem Ärger Luft. Die Menschen draußen hätten »die Nase voll« von manchen Verhaltensweisen. Die Bank müsse die richtige Balance zwischen Geldverdienen und moralisch und rechtlich tadellosem Verhalten finden. »Deshalb«, so der Schweizer, »fordere ich Sie auf, bitte ich Sie, ermutige ich Sie, in Ihrem Bereich alles zu tun, dass Verstöße nicht nur nicht geduldet, sondern verhindert werden«.
    Sicher könne nicht der den höchsten Bonus bekommen, der der Bank kein Geld bringe, aber dafür ein netter Mensch sei. Genauso wenig jedoch dürfe der den höchsten Bonus bekommen, der am aggressivsten operiere und sich stets »in

Weitere Kostenlose Bücher