Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Verbriefung und des Weiterverkaufs von Krediten, im Fachjargon »originate and distribute« genannt, die Banken keineswegs sicherer gemacht hat. Bei einem Besuch der Nachrichtenagentur Reuters in den Londoner Docklands spricht Josef Ackermann von der »schlimmsten Krise«, die er in seinen 30 Jahren als Banker erlebt habe.
Die internationale Finanzbranche und die Medien spekulieren in jenen Tagen, der Schweizer könnte die Deutsche Bank bald verlassen und Chef von Citigroup oder Merrill Lynch werden. Der gewöhnlich gut informierte Fernsehsender CNBC hat gemeldet, er stehe bei beiden Banken auf dem Wunschzettel.
Josef Ackermann denkt jedoch nicht daran, sein Haus mitten in der Krise im Stich zu lassen. Aber er ist eitel genug, um die Spekulationen zu genießen, und lässt sie deshalb eine Weile fröhlich wuchern. Sollen die Deutschen ruhig mal sehen, was sie an ihm haben, denkt er sich und badet in diesen Tagen in der morgendlichen Presseschau. Endlich erhält er die langersehnte und so schmerzlich entbehrte Anerkennung auch im Heimatmarkt. Jahrelang, so die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung , sei er »der Buhmann der Nation« gewesen. Jetzt breite sich im Lande »eine ›Wir lassen ihn nicht gehen‹-Stimmung« aus. Fünfeinhalb Jahre nach seinem Amtsantritt, konstatiert die Zeit , sei der erste Ausländer an der Spitze der Deutschen Bank »eingebürgert worden«.
Bei einem Auftritt in der Berliner Industrie- und Handelskammer einige Tage später macht Ackermann den immer lauter werdenden Abwanderungsgerüchten dann schließlich ein Ende: »Ich bin gerne in Deutschland.« Am Wochenende sei er mit seiner Familie im Zoo gewesen, um den berühmten Eisbären Knut zu sehen. Dabei hätten ihn die Leute »alle sehr freundlich« angesprochen.
So geht das Jahr eins der Finanzkrise für den Deutsche-Bank-Chef so schön zu Ende wie noch kein Jahr seit seinem Amtsantritt. Zu einer zunehmend freundlichen Presse gesellt sich eine Schar von Ehrungen.
Die London School of Economics, eine der angesehensten Wirtschaftsuniversitäten der Welt, ernennt ihn zum Honorarprofessor. Das American Institute for Contemporary German Studies verleiht ihm in New York den Global Leadership Award. Das American Jewish Committee folgt mit dem Herbert B. Lehman Human Relations Award. Er ehrt Persönlichkeiten, die sich besonders für Mitmenschlichkeit, Toleranz und Vielfalt in der Welt einsetzen.
Im Hilton Hotel in Midtown Manhattan versammeln sich zu Ehren des Schweizers über 300 meist prominente New Yorker, darunter Bürgermeister Michael Bloomberg, Senator Chuck Schumer und der Bau-Tycoon Jerry Speyer. Die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth ist eigens zu dem Anlass eingeflogen, der israelische Premier Ehud Olmert schickt schriftlich seine »warmherzige Gratulation«.
Anders als für Josef Ackermann und die Deutsche Bank endet das Jahr 2007 für die Finanzbranche mit einem negativen Vorzeichen. Um den Geldverkehr aufrechtzuerhalten, müssen die EZB sowie die Notenbanken der USA , Großbritanniens, Kanadas und der Schweiz kurz vor Weihnachten in einer konzertierten Aktion erneut kräftige Liquiditätsspritzen verabreichen.
Und das neue Jahr beginnt mit neuen Paukenschlägen. Nach Merrill Lynch und Citigroup verliert binnen weniger Wochen die dritte Bank an der Wall Street ihren Chef. James (»Jimmy«) Cayne, der 15 Jahre die Geschäfte von Bear Stearns geführt hatte, muss wegen der wachsenden Probleme der Bank abtreten. Citi und Merrill Lynch sehen sich nach ihren enormen Verlusten gezwungen, eine Betteltour um frisches Kapital bei Staatsfonds in Asien und Nahost anzutreten. Die schwer angeschlagene Hypothekenbank Countrywide flüchtet in den Schoß der Bank of America. Diese verkündet ebenso wie das Bankhaus Wachovia nur wenige Tage darauf einen Gewinneinbruch von über 90 Prozent. Und der deutsche Hypothekenfinanzierer Hypo Real Estate meldet Abschreibungen in Höhe von 390 Millionen Euro. Das nervös gewordene Publikum sieht Parallelen zur IKB . Der Kurs kracht um ein Drittel ein.
Die Kreditkrise erfasst neben Wohn- zunehmend auch Gewerbeimmobilien. An den Aktienmärkten macht sich Rezessionsangst breit. Der Dax stürzt um über sieben Prozent ab. Der 21 . Januar 2008 geht als einer der schwärzesten Tage in die Börsengeschichte ein. Um die Ängste zu bremsen, senkt die US -Notenbank den Zins um einen dreiviertel Prozentpunkt, mehr als nach den Terroranschlägen vom 11 . September.
Als wäre das alles noch nicht schlimm
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