Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
14 . Januar des neuen Jahres muss der Chef der Deutschen Bank schließlich den schwersten Gang seines Lebens antreten und für das vierte Quartal des abgelaufenen Jahres einen Verlust von 4 , 8 Milliarden Euro und für das Gesamtjahr ein Minus von 3 , 9 Milliarden Euro einräumen. Und dabei hatte er sogar noch Glück. Elf von vormals zwölf Milliarden für Übernahmekredite konnten im vierten Quartal aus den Büchern gestrichen werden, weil sie von den Investoren abgesagt worden waren. Auch so kommen auf das gesamte Jahr gesehen noch rund sieben Milliarden Euro an Wertberichtigungen auf Handelspositionen und Kredite für Unternehmensübernahmen zusammen. Die Investmentbank, allen voran der Handelsbereich, Profitmaschine der Bank in den Jahren zuvor, hat 8 , 5 Milliarden Euro Verlust gemacht, der Eigenhandel mit Kreditprodukten, Aktien und Aktienderivaten hat allein im vierten Quartal 5 , 5 Milliarden verloren. Der einstige Gewinngenerator ist zum Bremsklotz geworden.
In einer Telefonkonferenz mit Analysten zeigt sich der Deutsche-Bank-Chef »sehr enttäuscht«, besonders über das Handelsergebnis. Einige Positionen, so kritisiert er, seien »schlichtweg zu groß« gewesen.
Der Tag, den er selbst als den »schlimmsten Tag« seiner beruflichen Laufbahn bezeichnet, wird für ihn zur Tortur. Innerlich schämt sich der sieg- und erfolgsverwöhnte Schweizer für dieses Ergebnis, nach außen macht er gute Miene zum bösen Spiel. »Das hat mich viel Kraft gekostet«, sagt er. Besonders von den Investmentbankern, die er stets so gefördert hatte, fühlt er sich im Stich gelassen. Aber er widersteht der Versuchung, offen mit dem Finger auf sie zu zeigen.
Nach Analysten-Gespräch, Jahrespressekonferenz und vielen weiteren dichtgedrängten Terminen vom frühen Morgen bis in den späten Nachmittag in Frankfurt steht am Abend in Berlin auch noch der traditionelle Neujahrsempfang der Bank auf dem Programm. In der Hauptstadtrepräsentanz Unter den Linden schüttelt Ackermann zur Begrüßung tapfer lächelnd über 200 Gästen die Hand und versucht sich anschließend an einer launigen Ansprache: »Wenn wir nur Berlin hätten, hätten wir heute ein besseres Ergebnis gehabt.« Danach heißt es, tausend Fragen zu beantworten und immer eisern Haltung zu wahren.
Irgendwann macht aber selbst seine Bärennatur nicht mehr mit. Gegen 21 Uhr, die meisten Gäste sind schon wieder gegangen, verschlingt er im Stehen eilig ein paar Nürnberger Würstchen mit Sauerkraut, die erste feste Nahrung an diesem langen, bitteren Tag. Kurz darauf spürt Josef Ackermann Übelkeit in sich aufsteigen. Er wird kreidebleich. Etwas abrupt, wie es sonst überhaupt nicht seine Art ist, verabschiedet er sich von seinem Gesprächspartner. Ohne dass es groß auffällt, gelingt es ihm gerade noch, sich über einen Seitenausgang in einen Nebenraum zurückzuziehen. Dort setzt er sich auf einen Klavierhocker und stützt sich auf den dazugehörigen Flügel, der kalte Schweiß bricht ihm aus, schließlich wird er ohnmächtig.
Ein schnell herbeigerufener Notarzt konstatiert einen Kreislaufkollaps, will aber auf Nummer sicher gehen, obwohl sich der Deutsche-Bank-Chef schon wieder erholt hat. Im Notarztwagen fahren wir mit Blaulicht, aber ohne Sirene zu einer genaueren Untersuchung in das nahegelegene Bundeswehr-Krankenhaus. Die Ärzte dort geben endgültig Entwarnung, und Josef Ackermann kann in sein Hotel am Gendarmenmarkt zurückkehren. Alles ist noch einmal gutgegangen.
Oder besser: fast. Irgendjemand muss wieder geplaudert haben. Am nächsten Morgen berichtet Bild online groß über den Kollaps des Deutsche-Bank-Chefs, Spekulationen über seinen Gesundheitszustand schießen ins Kraut, der Kurs der Bank sackt binnen Minuten um drei Prozent ab.
In einem rasch arrangierten Telefonat mit dem stellvertretenden Bild -Chef Nikolaus Blome kann dieser sich davon überzeugen, dass Ackermann wieder voll auf der Höhe ist. Als Bild online von dem Gespräch berichtet, erholt sich der Kurs ebenso schnell, wie er zuvor gefallen ist. »Ich fühle mich ausgezeichnet«, sagt der Deutsche-Bank-Chef, »und bin seit 9 Uhr wieder an der Arbeit.« An seinem Terminplan für die nächsten Tage ändere sich nichts. Er betrachte den Vorfall aber »als Warnschuss« und werde künftig besser auf sich aufpassen.
Tatsächlich achtet Josef Ackermann fortan darauf, regelmäßig etwas zu sich zu nehmen. Und auf seinem Schreibtisch steht jetzt immer eine Flasche Sprudelwasser.
Aber der
Weitere Kostenlose Bücher