Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
eine weitere Milliarde aus der Vermögensverwaltung – macht zusammen sechs Milliarden Euro Gewinn pro Jahr allein aus relativ stabilen Geschäftsfeldern. Das wäre, selbst wenn sich die Gewinnstärke im Investmentbanking wieder bis auf vier bis fünf Milliarden wie in den Jahren 2005 und 2006 erholt, eine ganz andere Bank als vor der Finanzkrise: noch profitabler, zugleich aber wesentlich stabiler. Eine Bank mit weniger hohen Bonuszahlungen, in der nicht mehr das Kapitalmarktgeschäft dominiert, sondern das kundenzentrierte Geschäft mit Unternehmen und Privatleuten.
»Wir wollen unsere Erträge mit weniger Risiko erreichen«, so Ackermann. Drei Viertel des Eigenhandels sind zu dem Zeitpunkt bereits abgebaut, fast 60 Prozent der CDO -Positionen und fast zwei Drittel des RMBS -Bestands. Nahezu ein Drittel der Stellen im Handelsbereich ist weggefallen, die Mitarbeiterzahl in den sogenannten stabilen Geschäftsbereichen dagegen deutlich gewachsen. Die Bank wirbt in diesen Tagen großformatig mit der Aussage: »Eine neue Zeit beginnt. Wir sind bereit.«
Was für die neue Zeit noch fehlt, ist ein neuer Chef. Als ein Journalist, von Ackermanns offensivem Auftreten offensichtlich beeindruckt, diesen fragt, ob er seinen Vertrag bei der Deutschen Bank über 2010 hinaus verlängern wolle, antwortet der Schweizer mit spürbarer Verve, das komme nicht in Frage: »Die Hauptversammlung 2010 ist definitiv mein letzter Arbeitstag.«
Prompt fangen die Medien an zu spekulieren, wer in gut einem Jahr in die Fußstapfen des Schweizers treten könnte. Sie stellen schnell fest: Der große Vorsitzende hat es, wie so viele herausragende Manager vor ihm, versäumt, einen Kronprinzen aufzubauen.
Die Wahrheit ist: Er hat sich um das Thema nie gekümmert. Es ist einer der größten Fehler, die dieser herausragende Unternehmensführer in seinem Berufsleben gemacht hat. Und Gegenstand der einzigen grundlegenden Meinungsverschiedenheit, die es zwischen uns beiden gegeben hat.
Dass die Nachfolge kein Thema für Josef Ackermann ist, war mir schon in einem Gespräch aufgefallen, das wir Ende August 2008 im Auto auf der Rückfahrt von einem Vortrag in der Fabrik des schwäbischen Maschinenbauers Trumpf in Grüsch im Schweizer Prättigau nach Zürich geführt hatten.
Zum einen fällt es Ackermann grundsätzlich schwer, andere durch seine Protektion zu begünstigen. Der puristische Verfechter des Leistungsprinzips glaubt daran, dass jeder sich aus eigener Kraft durchsetzen muss – und wenn er wirklich gut ist, auch wird. Einen Kronprinzen aufzubauen ist dem Schweizer Demokraten wesensfremd. Zum anderen betrachtet er die Auswahl eines geeigneten Nachfolgers schlicht nicht als seine Aufgabe, sondern als die des Aufsichtsrats, vornehmlich dessen Vorsitzenden. So steht es ja auch im Aktiengesetz.
Mit meinen Gegenargumenten dringe ich nicht durch: Das Gesetz ist das eine, die öffentliche Wahrnehmung etwas ganz anderes. Wer so mächtig ist wie kein Deutschbanker seit dem legendären Hermann-Josef Abs vor ihm dessen Nachfolger gilt in den Augen des Publikums zwangsläufig als seine Wahl. Es sei denn, er hätte mehr oder weniger offen Position gegen ihn bezogen.
Darüber hinaus hat der Vorstand der Deutschen Bank seine Chefs, da nur Sprecher und keine Vorsitzenden, bisher stets aus seiner Mitte heraus selbst bestimmt. Mit Josef Ackermann ist diese Tradition zu Ende gegangen. Noch als Sprecher von seinen Kollegen gewählt, ist er inzwischen der erste Vorsitzende des Vorstands der Deutschen Bank. Seinen Nachfolger muss der Aufsichtsrat wählen.
Aber lange Traditionen wirken nach. Der Vorstand der Bank, so meine Vermutung, würde ein Wort bei der Chefsuche mitreden wollen. Aus meiner Sicht ein Grund mehr, dass Ackermann sich des Themas frühzeitig annehmen sollte. Doch er lässt die Dinge laufen.
Als im Frühjahr 2009 die Nachfolge-Diskussion beginnt, wird schnell offenkundig, dass kein rundum überzeugender Kandidat bereitsteht. Immer wieder aufs Neue gehen die Medien alle denkbaren Möglichkeiten durch und verwerfen sie wieder.
Die beiden Leiter der Investmentbank, Michael Cohrs und mehr noch Anshu Jain, seien nach den Verlusten des abgelaufenen Jahres – zumindest auf absehbare Zeit – kaum vermittelbar und sprächen kein Deutsch. Zudem gehörten sie nicht einmal dem Vorstand an. Letzteres gelte auch für den 44 -jährigen Rainer Neske, den Chef des Privatkundengeschäfts, der für den Top-Job überdies noch etwas jung sei und bei den
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