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Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Titel: Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Baron
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Wette auf: Leben die Probanden im Schnitt höchstens ein Jahr länger, als die Gutachter geschätzt haben, errechnet sich für den Anleger eine Rendite von über sechs Prozent pro Jahr. Sind sie dann noch nicht gestorben, schrumpft die Rendite und geht schließlich in einen Verlust über.
    Etwa 10 000 Anleger investieren insgesamt über 200 Millionen Euro in das Papier. Sie haben damit offensichtlich genauso wenig ethische Probleme wie deren Erfinder, die in dem dazugehörigen Verkaufsprospekt verkünden, es seien »nicht die Dinge an sich, die den Kurs unseres Lebens bestimmen, sondern es ist unsere Sicht der Dinge«.
    Anfang 2012 wendet sich ein von der Rendite enttäuschter Anleger an die Kundenbeschwerdestelle des Bundesverbands deutscher Banken in Berlin. Sein Verdacht: Den für den Anlageerfolg entscheidenden medizinischen Gutachten seien veraltete Sterbetafeln zugrunde gelegt worden. Die Gutachter hätten deshalb womöglich die Lebenserwartung der Referenzpersonen systematisch zu kurz eingeschätzt – und so die Deutsche Bank einseitig begünstigt.
    Der Beschwerdeführer bekommt eine unerwartete Antwort: Das von ihm gewünschte Schlichtungsverfahren werde abgelehnt, da als Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch zunächst die Rechtsfrage zu klären sei, ob »die Wette auf die Lebensdauer eines ausgewählten Personenkreises nicht gegen sich aus unserer Sittenordnung ergebende Verhaltensverbote« verstoße. »Bestimmte Menschen« würden mit dem Zertifikat »instrumentalisiert, um Kapitalanlegern oder der Emittentin und den Verkäufern der Anlage eine Rendite zu verschaffen«. Dies sei mit »unserer Werteordnung, insbesondere der in ihrem Mittelpunkt stehenden Unantastbarkeit der menschlichen Würde (Art. 1 Absatz 1 GG ), kaum in Einklang zu bringen«.
    Eine Woche später ist die Antwort des Bankenverbands überall in den Medien nachzulesen: »Zynisches Investment«, schreibt der Spiegel , »Wetten auf den Tod« die Süddeutsche . Zwar sei »jede Versicherung eine Wette, und jede (Risiko-) Lebensversicherung eine Wette auf den Tod«, erläutert die Zeitung, das Produkt »Kompass Life 3 « sei jedoch etwas ganz Besonderes.
    Das ist es in der Tat: Seit längerem gibt es Fonds, deren Emittenten Inhabern von Kapitallebensversicherungen, die diese nicht mehr wollen, brauchen oder sich die Beiträge nicht mehr leisten können, ihre Police abkaufen, um am Ende die Ablaufleistung zu kassieren. Dies stellt jedoch keine Spekulation auf die Lebensdauer der Versicherungsnehmer dar. Bei kompass 3 wird zudem niemandem eine Police abgekauft, der diese loswerden will oder muss. Es ist eine reine Wette »ohne ein ausgleichendes soziales Gut«, wie es Michael J. Sandel, Professor für Moralphilosophie an der Harvard University, in seinem Bestseller »Was man für Geld nicht kaufen kann – Die moralischen Grenzen des Marktes« ausdrückt. Derartige »Todeswetten dienen keinem gesellschaftlich nützlichen Zweck«.
    Als ich Josef Ackermann über das Produkt informiere, will er das Gehörte zunächst nicht glauben: »Wie kann man nur?«, sagt er. Und handelt umgehend: Zwei Wochen später, im Februar 2012 , bietet die Bank den Anlegern an, ihr Engagement kurzfristig zu beenden und ihnen das investierte Kapital abzüglich zwischenzeitlich erfolgter Ausschüttungen zurückzuzahlen. »Das Großreinemachen geht weiter«, kommentiert die Frankfurter Rundschau den Ausstieg.
    Zur selben Zeit versucht der Deutsche-Bank-Chef auch, und das nicht zum ersten Mal, den bereits über zehn Jahre alten Rechtsstreit der Bank mit Leo Kirch respektive seinen Erben beizulegen. Die Kirch-Familie hat bei Gericht mittlerweile Schadenersatzforderungen von über 3 , 3 Milliarden Euro zuzüglich einer Milliarde Euro Zinsen geltend gemacht. Der Vorwurf: Die Deutsche Bank und besonders ihr einstiger Vorsitzender Breuer hätten das Medienimperium in die Pleite getrieben. Leo Kirch ist inzwischen verstorben; seine Erben hatten zuletzt signalisiert, sich mit einer Vergleichszahlung in Höhe von rund 800 Millionen Euro zufriedengeben zu wollen.
    Auch Josef Ackermann kann sich mit der Vergleichsidee anfreunden. Obwohl die Bank eine Schuld an dem Konkurs nach wie vor vehement bestreitet, war sie zuletzt vor Gericht zunehmend ins Hintertreffen geraten. Das Risiko, am Ende womöglich noch mehr zahlen zu müssen, war deutlich gewachsen. Der Schweizer trifft sich im Münchner Hotel Vier Jahreszeiten mit der Witwe des verstorbenen Medien-Moguls zum Sonntagskaffee

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