Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Nahrungsmittelpreise und den Hunger in der Welt. Diese hätten vielmehr vor allem fundamentale Ursachen: das Wachstum der Weltbevölkerung, schrumpfende landwirtschaftliche Flächen, wachsender Fleischkonsum infolge steigenden Wohlstands sowie die Einführung von Bio-Treibstoff.
Listigerweise hat foodwatch in seinem Report denn auch die Beweislast umgekehrt: Nicht diejenigen, die Spekulation für schädlich halten, müssen den Beleg dafür erbringen, sondern die Spekulanten müssen nachweisen, dass sie niemandem schaden. Das allerdings ist ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn man allgemein nach diesem Prinzip verführe, müssten zum Beispiel auch alle Autos vom Markt genommen werden. Bei jedem Produkt kann es nur um eine sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile gehen – und die Aufgabe, Letztere zu begrenzen.
Kurz vor Weihnachten, zwei Monate nach seinem ersten Brief und einem aus seiner Sicht wenig konstruktiv verlaufenen Gespräch mit Mitarbeitern der Bank in London, schreibt Bode erneut an Ackermann und äußert die Besorgnis, dass eine ernsthafte Prüfung gar nicht beabsichtigt sei. Der Deutsche-Bank-Chef versichert dem Verbraucherschützer postwendend, dass sein Haus diese Überprüfung sogar »sehr ernst« nehme und sich deshalb »sachlich, gründlich und gewissenhaft« mit den zentralen Thesen des foodwatch-Reports auseinandersetzen wolle. Dies werde allerdings »noch einige Zeit in Anspruch nehmen«, da die Materie »sehr komplex« sei. Er müsse daher »um Geduld bitten«.
Bodes Geduld reicht nur für weitere vier Wochen. Am 18 . Januar 2012 schreibt er dem Bankchef zum dritten Mal und beklagt sich jetzt, das Institut wolle die Angelegenheit »auf die lange Bank schieben«. Ende des Monats wirft er dem Schweizer sogar öffentlich Wortbruch vor, seine Ankündigung im Oktober sei »nur ein PR -Trick gewesen, um die Öffentlichkeit zu beruhigen«.
Zum Beweis des Gegenteils lässt Josef Ackermann nach einer Diskussion im Vorstand Anfang März verkünden, die Bank werde ihre Untersuchung wie versprochen fortsetzen, eine umfassende Studie erstellen und diese mit NGO s diskutieren. Bis dahin würden im laufenden Jahr vorsorglich keine neuen börsengehandelten Investmentprodukte auf der Basis von Grundnahrungsmitteln mehr aufgelegt.
Außerdem wolle die Bank aktiv den Fünf-Punkte-Aktionsplan unterstützen, den die G 20 auf ihrem Gipfel in Cannes zum Thema Ernährungssicherheit beschlossen haben. Dieser sieht neben Strukturreformen im landwirtschaftlichen Sektor und im internationalen Handel auch neue Börsenregulierungen vor, die Manipulationen verhindern und die Transparenz in dem Bereich erhöhen sollen.
Foodwatch bezeichnet die Maßnahmen als »nicht einmal halbherzig«. Dennoch nimmt der Chef der Organisation dem noch bis Ende Mai amtierenden Vorstandsvorsitzenden der Bank sein ehrliches Bemühen ab: Ackermanns »guter Wille« sei »begrüßenswert«, aber die Frage sei, »ob er sich damit durchsetzt«, so Bode gegenüber der Süddeutschen Zeitung . Widerstand verortet er vor allem in London. Seit seinem Gespräch mit Rohstoffhändlern der Bank dort sei er skeptisch.
»Ackermann distanziert sich zunehmend von den Auswüchsen des Investmentbankings, betont die Verantwortung von Banken, erklärt, sie müssten sich auf ihre Rolle als Dienstleister der Realwirtschaft besinnen«, konstatiert das Blatt. In London werde das »als Affront gesehen«. Es sei ein schon »fast klassischer Konflikt«: »Hier der alte Chef, der auf seine alten Tage die Moral hochhält, dort der neue Chef, der vor allem an künftige Profite denkt.« Wenige Monate vor seinem Ausscheiden will Josef Ackermann die endgültige Entscheidung zu dem Thema seinen Nachfolgern überlassen.
Auch die Themen Umsatzsteuerbetrug beim Handel von Emissionsrechten und Manipulation von Referenzzinssätzen wie Libor und Euribor kann der Schweizer nicht mehr abräumen.
Im April 2010 lässt die Generalbundesanwaltschaft im Rahmen einer bundesweiten Großrazzia unter anderem die Büros der Deutschen Bank in Frankfurt durchsuchen. Die Fahnder sind Firmen auf der Spur, die dem deutschen Fiskus offenbar Umsatzsteuern aus dem Handel mit Emissionsrechten für Kohlendioxid im Umfang von mehreren Hundert Millionen Euro hinterzogen haben. Sieben Mitarbeiter der Bank sollen ihnen dabei womöglich geholfen haben. Gegen sie wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. »Josef Ackermann wird das maßlos ärgern«, meint Spiegel Online , »kämpft er doch seit geraumer
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