Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
und verspricht, die Bank werde eine Lösung des Dauerstreits auf dieser Basis ernsthaft prüfen.
Doch die vom Vorstand eingeholten Rechtsgutachten fallen nicht eindeutig aus. Das Risiko von Aktionärsklagen bei einer derart hohen Vergleichssumme erscheint dem Gremium schließlich zu hoch. Aus der Sache wird wieder nichts.
Mehr Erfolg hat der Schweizer beim Entschärfen eines anderen brisanten Themas. Bei der Hauptversammlung des Geldhauses am 25 . Mai 2011 fordert Branislav Kapetanoviˇc, Sprecher einer Protestgruppe gegen die Produktion von Streubomben namens Cluster Munition Coalition, die Führung der Deutschen Bank mit eindringlichen Worten auf, Geschäfte mit Herstellern solcher Waffen einzustellen. Der ehemalige serbische Minenräumer war nach dem Balkan-Krieg im Jahr 2000 durch eine explodierende Streubombe des amerikanischen Herstellers Alliant TechSystems fast ums Leben gekommen. Ihm mussten beide Arme und Beine abgenommen werden.
2008 haben zahlreiche Länder, darunter auch Deutschland, nicht aber etwa die USA , Russland oder China, eine internationale Konvention unterschrieben, die die Produktion und den Einsatz von Streubomben ächtet. Seitdem macht die Deutsche Bank keine Geschäfte mehr mit Herstellern solcher Waffen. Dem Serben geht es nun darum, dass das Institut auch alle Geschäftsverbindungen zu Muttergesellschaften von Firmen einstellt, die Streubomben produzieren. Dabei handelt es sich vor allem um amerikanische Mischkonzerne wie Lockheed Martin, Raytheon oder Textron. »Ich bin hergekommen, um an Ihre Menschlichkeit zu appellieren. Verzichten Sie auf todbringende Rendite«, sagt der Mann im Rollstuhl an Josef Ackermann gerichtet.
Der hatte zuvor gegenüber den mehr als 5000 Aktionären in der Frankfurter Festhalle wieder einmal die soziale Verantwortung der Bank unterstrichen: »Alle unsere Geschäfte müssen rechtlich und ethisch einwandfrei sein.« Der Appell des verstümmelten Minenräumers macht ihn sichtlich betroffen. »Es tut mir persönlich sehr leid, was Ihnen widerfahren ist«, sagt er, »das ist schrecklich und das darf sich nicht wiederholen. Ich bin sehr gegen Streubomben.« Die Bank werde ihre Geschäftsbeziehungen zu Mischkonzernen überprüfen, zu denen auch Hersteller solcher Waffen gehören.
Nicht einmal ein halbes Jahr später meldet die Bank Vollzug: Auch die Geschäftsbeziehungen zu Konglomeraten mit Streubombenherstellern im Portfolio werden eingestellt. Bestehende vertragliche Verpflichtungen müsse man noch erfüllen. Neue Beziehungen kämen aber »nur dann in Frage, wenn die Kunden sich dezidiert verpflichten, so schnell wie möglich aus diesem Geschäftsbereich auszusteigen«.
Je näher Josef Ackermanns letzter Arbeitstag bei der Deutschen Bank rückt, desto schwieriger wird es allerdings für ihn, sich wie gewohnt durchzusetzen. Seit Sommer 2011 steht fest, dass er im Mai 2012 gehen wird. Seine Nachfolger sind bereits vom Aufsichtsrat gewählt. In der Bank findet statt, was in Organisationen dieser Art in solchen Fällen immer passiert – sie beginnt sich auf die Zeit danach einzustellen.
Solange damit gerechnet werden muss, dass der Schweizer als Aufsichtsratsvorsitzender weiter mit von der Partie sein wird, verläuft dieser Prozess sehr verhalten. Mitte November entfällt diese Perspektive aber, und nach seiner letzten Bilanzpressekonferenz Anfang Februar 2012 ist er endgültig nur noch ein Chef auf Abruf, dem die Truppen nicht mehr so bereitwillig folgen wie zuvor. Zudem scheut Ackermann in den letzten Monaten seiner Amtszeit auch davor zurück, noch weitreichende Entscheidungen durchzuboxen, deren Folgen nicht mehr ihn selbst, sondern seine Nachfolger betreffen.
So etwa bei der Kontroverse um das Geschäft mit Agrar-Rohstoffen, die die Verbraucherschützer von foodwatch im Oktober 2011 auslösen. Schon einmal hatte die Deutsche Bank wegen dieser Geschäfte kurzen, aber heftigen Ärger: Im April 2008 fällt der Bereich X-Markets der Bank, Spezialist für Zertifikate und passiv geführte Fonds, mit einer Werbeaktion der besonderen Art auf. Die Immobilienmärkte versprechen auf absehbare Zeit keine weiteren Preissteigerungen mehr. Als Alternative machen die Banken Rohstoffmärkte aus. Allein in den drei Jahren zuvor hatten sich die Weltmarktpreise für Nahrungsmittelrohstoffe wie Weizen, Reis, Mais oder Sojabohnen verdoppelt. X-Markets kommt mit dem »Agriculture Euro Fonds« auf den Markt, der auf die Wertentwicklung von sieben wichtigen Nahrungsmitteln
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