Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Zeit vehement um sein Image. Und um das der Bank.«
Tatsächlich wächst mit jeder neuen Klage, jedem neuen Reputationsproblem der Ärger des Schweizers auf die »nicht einmal zehn Prozent der Bank, welche die anderen mehr als 90 Prozent in Verruf gebracht haben, die sich immer anständig verhalten haben«, wie er sagt. Er fragt sich, ob er das als Unternehmenschef hätte verhindern können, ob er zu viel Vertrauen gezeigt und zu wenig Kontrolle ausgeübt hat.
Im Frühjahr 2011 , als die Klageflut und die Vorwürfe unethischen Verhaltens in der Zeit vor der Krise gegen das Institut sich im Wochenrhythmus häufen, sprechen wir einmal über die Möglichkeit, die politische Gesamtverantwortung für alle Verfehlungen zu übernehmen und den Weg für einen Neuanfang frei zu machen. In der Siemens-Korruptionsaffäre hatte Josef Ackermann der Zeit einmal gesagt: »Wenn in der Deutschen Bank systematisch solche Dinge aufbrechen würden, würde ich morgen zurücktreten. Denn entweder war ich Teil davon, dann gehöre ich sowieso weg, oder ich habe es nicht gewusst, dann habe ich nicht geführt.«
Der Schweizer verwirft die Rücktrittsoption jedoch am Ende. Zum einen ist die Situation mit der einst bei Siemens nicht vergleichbar. Während in weiten Teilen des Münchner Unternehmens offenbar jahrelang systematisch schwarze Kassen unterhalten, Belege frisiert und Schmiergelder gezahlt wurden, stammen die großen Rechts- und Reputationsprobleme der Bank fast durchweg aus einem einzigen Bereich, der nur einen kleinen Teil der Mitarbeiter ausmacht. Während die illegalen Praktiken bei dem Industriekonzern bis weit hinauf in der Unternehmenshierarchie bekannt gewesen sein sollen, haben selbst die schärfsten Ackermann-Kritiker nie behauptet, er habe die diversen fragwürdigen Produkte und Praktiken seines Hauses gekannt oder auch nur kennen müssen. Sie werfen ihm nur allgemein vor, mit seinem 25 -Prozent-Ziel den Nährboden für solche Verfehlungen bereitet zu haben. Dass sich das Renditeziel jedoch auf saubere Weise erreichen lässt, beweisen unzählige deutsche Mittelständler bis heute.
Ein Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden hätte zudem unweigerlich auch mindestens das Ausscheiden des für den fraglichen und nach wie vor wichtigsten Bereich zuständigen Vorstandsmitglieds Anshu Jain zur Folge. Die Bank wäre enthauptet gewesen. Darüber hinaus hätte ein Abtreten Ackermanns auch einen schweren Rückschlag für die Bemühungen bedeutet, die europäische Staatsschuldenkrise zu entschärfen. Diese treibt gerade ihrem Höhepunkt zu, und Josef Ackermanns Unterstützung ist besonders gefragt (siehe Kapitel 11 »Vom Banker zum Staatsmann«).
Es gilt also abzuwägen: Die politische Gesamtverantwortung für Regelverletzungen im Ganzen gesehen weniger Mitarbeiter zu übernehmen steht gegen die Verantwortung für die Gesamtbank sowie für Deutschland und Europa. Vor diese Alternative gestellt, entschließt sich der Schweizer, ein Jahr vor seinem allgemein ohnedies erwarteten Ausscheiden weiterzumachen und mit der »bösen Seite der Bank« ( Börsenzeitung ) selbst noch aufzuräumen, so gut er kann.
Als Josef Ackermann von dem Verdacht der Beihilfe von Mitarbeitern seines Instituts an einem Umsatzsteuer-Betrug erfährt, lässt er die Anwaltskanzlei Clifford Chance mit einer unabhängigen Untersuchung beauftragen. Ohne deren Ergebnisse abzuwarten, verschärft das Haus binnen weniger Wochen seine internen Regeln in diesem Bereich, insbesondere müssen Geschäftspartner künftig noch genauer unter die Lupe genommen werden. Clifford Chance kann nichts finden, was den Beihilfe-Verdacht gegen die Mitarbeiter erhärtet. Im Verlauf des Prozesses gegen die Mitglieder des Betrüger-Netzwerks vor dem Landgericht Frankfurt im darauffolgenden Jahr werden die fraglichen Bankmitarbeiter jedoch immer stärker belastet. Das Institut verzichtet daher von sich aus »vorsorglich« darauf, die an seine Geschäftspartner gezahlte Mehrwertsteuer in Höhe von mehr als 300 Millionen Euro auf dem Wege des Vorsteuerabzugs beim Fiskus geltend zu machen. Ackermann will, wo immer möglich, reinen Tisch machen.
Doch das war mit der Übernahme des Steuerschadens leider offenbar immer noch nicht der Fall. Kurz vor Weihnachten 2012 , Monate nach Ackermanns Abschied, kommt es erneut zu einer Großrazzia bei der Bank. Begründung der Staatsanwaltschaft: Mitarbeiter des Geldhauses hätten bei der Aufklärung des Falles nicht voll kooperiert und Informationen
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