Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Industriegeschäft mit Fusionen und Übernahmen sowie Börsengängen und zusammen mit Anshu Jain (Wertpapierhandel), Rainer Neske (Privatkundengeschäft) und Jürgen Fitschen (Mittelstandskunden und Landesorganisation) erst ein Jahr zuvor in den Vorstand aufgerückt, kündigt seinen Ausstieg aus der Firma noch im laufenden Jahr an.
Damit fällt einer der von Ackermann persönlich am meisten geschätzten Kollegen in der Führung der Bank für die Nachfolge aus. Dem feinsinnigen und zurückhaltenden Mann mit deutschen Vorfahren und einem MBA der Harvard University hätte der Schweizer zugetraut, was er mit am wichtigsten für einen Deutsche-Bank-Chef hält: die beiden so unterschiedlichen Kulturen des Hauses, die einer traditionellen deutschen Bank und die einer angelsächsischen Investmentbank, die er selbst wenigstens halbwegs unter einen Hut gebracht hat, auch in Zukunft beisammenhalten zu können.
Cohrs, ein passionierter Fliegenfischer, hatte im zurückliegenden Jahrzehnt seinen als Königsdisziplin des Investmentbankings angesehenen Bereich, in dem die Bank früher unter »ferner liefen« rangierte, mit Geduld in die Spitzengruppe der globalen Berater für Fusionen und Börsengänge geführt. Sein Problem: Das klassische Investmentbanking mit seiner engen Kundenbeziehung steht zwar im Zentrum einer Investmentbank, die großen Gewinne fallen jedoch woanders an – im Handelsbereich. Den leitet Co-Chef Jain. Im ersten Quartal des Jahres hat er gerade rund 80 Prozent des Gesamtgewinns der Bank eingefahren. Und während Jain den Spitzenjob unbedingt will, ist der Nahkampf nicht die Sache des Gentleman-Bankers Cohrs. Er steigt aus dem Rennen aus, ehe es richtig in Gang gekommen ist.
Trotz der von Anshu Jain zu verantwortenden Milliarden-Verluste im Jahr 2008 vertraut Ackermann dem Chef des Wertpapierhandels die gesamte Investmentbank an. Die vielen Rechts- und Reputationsprobleme, die vor allem in Jains Handelsbereich ihren Ursprung haben, sind damals noch nicht bekannt. Abgesehen davon trennt sich der Schweizer nicht einfach von Führungskräften, »die viele Jahre lang gut gearbeitet haben und dann einmal einen Fehler machen«, wie er selbst sagt. Gute Entscheidungen, so seine Überzeugung, könne man nur treffen, wenn man Erfahrung habe. Und die hole man sich nicht zuletzt »auch durch Fehler«.
In den Augen der meisten Beobachter rückt Jain mit der Übernahme der gesamten Investmentbank zum Kronprinzen auf. Josef Ackermann jedoch kann nicht daran gelegen sein, das Rennen um seine Nachfolge bereits jetzt als entschieden erscheinen zu lassen. Er will nicht vor der Zeit eine »lahme Ente« werden, ein Chef auf Abruf sein. Was das heißt, hat er bei seinem Vorgänger Breuer zwei Jahre lang selbst aus nächster Nähe erlebt. »Der Torschützenkönig ist nicht automatisch auch der beste Mannschaftskapitän«, antwortet er deshalb vieldeutig, wenn er auf das Thema angesprochen wird.
Und Anshu Jain fehlt ja in der Tat noch einiges zum idealen Nachfolger. Neben der weiteren Expansion in den wachstumsstarken Schwellenländern sind mit dem Kauf der Postbank auch der deutsche Heimatmarkt und mit der zunehmenden Regulierung die Politik noch wichtiger geworden. Die Deutsche Bank ist nicht nur eine Bank, sie hat besonders in Deutschland eine wichtige politische Rolle, wie der Schweizer selbst erst mühsam lernen musste.
In punkto deutsche Politik aber weist der gebürtige Inder mit britischem Pass noch größere Defizite auf als der Deutschschweizer zu Beginn seines Regnums. Zudem spricht er so gut wie kein Wort Deutsch. Ein weiteres Handikap: Er steht für den Wertpapierhandel, also jenen Bereich des Investmentbankings, der seit der Krise weithin als Kasino-Banking verschrien ist. Entsprechend groß sind die Vorbehalte gegen ihn in Deutschland.
Um die aufkeimende Nachfolgedebatte zu stoppen, lässt der Schweizer zudem wissen, es mache ihm »sehr viel Spaß, in diesen turbulenten Zeiten die Bank zu führen«. Ihn motiviere besonders, an einem »besseren Finanzsystem« mitzubauen. Niemand, so die Botschaft, könne einfach davon ausgehen, dass er seinen Vertrag nicht bis 2013 erfüllen werde. Bis dahin aber sind es noch fast drei Jahre. Viel zu früh also, um über die Zeit nach ihm zu reden.
Tatsächlich hat der Schweizer an der Position, die er ein Jahr zuvor noch vorzeitig räumen wollte, wieder neu Gefallen gefunden. In aller Welt wird der Deutsche-Bank-Chef dafür bewundert, wie sicher er sein Haus durch die Krise
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