Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
unbelastet von den Exzessen der Finanzbranche und deshalb für einen Neuanfang nach der großen Krise besonders glaubwürdig. Außerdem weiß er als Mitglied zahlreicher Aufsichtsgremien wie kein Zweiter, wo die Reise der Regulatoren künftig hingehen wird.
Allerdings hat er einen entscheidenden Nachteil: Er amtiert als Präsident der Bundesbank und gilt als Top-Kandidat für die Nachfolge von EZB -Präsident Trichet. Mit ihm ist für die Chefposition bei der Deutschen Bank also nicht zu rechnen.
Auf der Jahrespressekonferenz der Bank Anfang Februar 2011 geht alle Welt davon aus, dass Josef Ackermann in gut einem Jahr seinen Posten vorzeitig aufgibt. In seiner Heimat wird er inzwischen als Favorit für den Verwaltungsratsvorsitz bei dem internationalen Versicherungskonzern Zurich gehandelt. Jede Bewegung, jede Äußerung eines der potentiellen Kandidaten sehen die Medien jetzt unter dem Blickwinkel Nachfolge.
Was heißt es, wenn Josef Ackermann, der nicht gerade dafür bekannt ist, mit Lob großzügig umzugehen, seinen Finanzchef Stefan Krause auf offener Bühne für dessen kreativen Beitrag zur Strukturierung des Postbank-Erwerbs derart preist, dass dieser vor Stolz errötet? Ist es Zufall, wenn Anshu Jain, den Rucksack auf dem Rücken, sich nach der Veranstaltung zum ersten Mal länger unter die Medienvertreter mischt?
Wenige Tage später läuft das Rennen schlagartig heiß. Am Abend des 8 . Februar 2011 , es ist ein Dienstag, trommelt Bundesbankchef Weber kurzfristig die Mitglieder seines Vorstands zusammen und eröffnet ihnen im Vertrauen, dass er keine zweite Amtszeit anstrebe und damit auch nicht mehr für das Amt des EZB -Präsidenten kandidiere. Dies wolle er am folgenden Tag bekanntgeben.
Schon am frühen Morgen des darauffolgenden Tages kursieren in der Finanzgemeinde Gerüchte. Um 11 Uhr 32 meldet die Nachrichtenagentur Reuters , die Bundesbank beabsichtige im Verlaufe des Tages eine »Mitteilung zur beruflichen Zukunft« ihres Chefs zu machen. Die Bundesbank wolle das aber nicht kommentieren. Einige Minuten später legt die Agentur nach: Axel Weber stehe »nicht für den EZB -Chefposten zur Verfügung«. Um 12 Uhr 32 dementiert die Notenbank die »Gerüchte über eine bevorstehende Mitteilung« zur beruflichen Zukunft ihres Präsidenten, nicht aber, dass er vorhabe zurückzutreten.
Angela Merkel ist von Webers Amtsverzicht völlig überrascht. Als der Bundesbankchef die Bundeskanzlerin am Morgen telefonisch über seinen Entschluss unterrichtet, bittet sie ihn, den Rücktritt erst am Freitag zu verkünden, damit sie gleich auch einen Nachfolger präsentieren kann. Der Notenbankchef folgt dem Wunsch, auch wenn er dadurch für zwei Tage ein Kommunikationschaos in Kauf nehmen muss.
Dann aber wird es offiziell: Weber gibt sein Amt auf. Nachdem er die Käufe von Anleihen finanzschwacher Euroländer durch die EZB im Mai des vorausgegangenen Jahres abgelehnt hatte, sieht er sich unter seinen europäischen Kollegen zunehmend isoliert und vermisst offenbar die gewünschte Rückendeckung durch die Kanzlerin.
Der bevorstehende Abschied Webers von der Bundesbank verleiht der Nachfolgediskussion bei der Deutschen Bank zusätzlichen Schub. Was bisher bloß eine Wunschvorstellung von Josef Ackermann war, erscheint plötzlich als reale Option.
Zum Erstaunen des Schweizers regt sich daran allerdings sofort heftige Kritik. Obwohl Weber geahnt haben muss, dass er mit seinem hartnäckigen Eintreten für eine strikt stabilitätsorientierte Geldpolitik auch in der europäischen Staatsschuldenkrise die Krönung seiner Karriere mit dem Posten als EZB -Chef riskiert, war er seiner Überzeugung treu geblieben. »Ich werde mich für diesen Job nicht verbiegen«, hatte er schon im Oktober am Rande des G 20 -Treffens in Südkorea in kleiner Runde gesagt.
Diese Prinzipientreue und Geradlinigkeit werden dem Pfälzer, der sich erst einmal für ein Jahr als Gast-Professor an die renommierte University of Chicago verabschieden will, jedoch auch im eigenen Lande nicht gelohnt. Viele kreiden ihm an, aus der Verantwortung zu fliehen – und sprechen ihm kurzerhand auch gleich die Eignung für den Spitzenjob bei der Deutschen Bank ab.
Dafür führen sie etliche Argumente ins Feld: Webers fehlende Geschäftsbank-Erfahrung, sein Insiderwissen über andere Geldinstitute, das Kommunikationschaos um seinen Rücktritt und die Verärgerung, die sein überraschender Rücktritt angeblich bei der Kanzlerin ausgelöst habe.
Ein führender
Weitere Kostenlose Bücher