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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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Ton gesagt.
    Nachdem er lange geschwiegen hatte, erklärte Claymore schließlich: »Ich dachte mir schon, dass sie es ist.«
    »Was heißt, du dachtest es dir ?«
    »Das ist alles so lange her. Sie war … Ich weiß nicht, wie alt?«
    »Vierzehn.«
    »Vierzehn«, wiederholte er leise. Es schien, als würde ihm erst jetzt, nach fünfundzwanzig Jahren, das ganze Ausmaß seiner Tat bewusst. »Ich sehe bis heute ihr Gesicht vor mir. Es verfolgt mich überallhin. Deshalb habe ich damals aufgehört. Nicht, weil ich erwischt wurde. Wegen ihrer Augen … wegen diesem verwundeten Blick.«
    » Sei endlich still! «, schrie Gene.
    »Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht quälen. Und ich verlange auch nicht, dass Sie mich verstehen. Ich will einfach nur, dass Sie die Wahrheit erfahren. Als sie in das Besprechungszimmer kam und Alex sie mir vorstellte … ihr Gesicht hat sich natürlich verändert, aber ich hatte es noch genau in Erinnerung. Ihr Name hat mir nichts gesagt. Ich kannte die Namen meiner Opfer nicht.«
    »Natürlich nicht, wozu auch? Wir waren ja keine Menschen für dich.«
    »So war ich damals, aber heute bin ich ein anderer Mann! Eigentlich müssten Sie doch die Männer hassen, die heute noch so denken – wie dieses Arschloch Louis Manning.«
    »Wer?« Sie sah ihn verständnislos an.
    »Louis Manning. Der Kerl, der Bethel Newton in Wirklichkeit vergewaltigt hat.«
    »Woher weißt du das?«, fragte Gene verwirrt.
    »Weil im Gerichtssaal von ihm die Rede war, nachdem Andi Ihre Befragung abgeschlossen hatte. Detective Riley kam plötzlich rein, um das Gericht über die neuen DNA-Ergebnisse zu informieren. Dabei kam nämlich heraus, dass die DNA von einem Kerl namens Louis Manning stammt. Im ersten Test hat das DNA-Profil noch mit uns beiden übereingestimmt – was allerdings nicht viel besagt, weil dieses Profil auf jeden fünfhundertsten schwarzen Mann zutrifft. Der erste Test wurde mit dem Y-Chromosom gemacht, wenn ich richtig informiert bin. Danach wurde dann aber noch ein weiterer Test durchgeführt, der mich entlastet und auf ihn als Täter verweist.«
    »Was war das für ein Test?«, fragte Gene.
    »Im Prinzip das Gegenteil vom ersten. Bei dem wurde nämlich die DNA vom Vater untersucht und beim zweiten Test – also dem, der mich entlastet – die DNA von der Mutter.«
    »Die mitochondrische DNA?«
    »Ja, genauso hieß es.«
    »Und du sagst, dass dich dieser Test als Täter ausschließt?«
    »Ja, aber den anderen Verdächtigen nicht.«
    »Aber wie sind die überhaupt auf ihn gekommen? Auf diesen … Louis …?«
    »Manning. Er hat versucht, eine Reporterin zu vergewaltigen, die über den Fall berichtet hat. Martine Yin.«
    »Heilige Scheiße!«
    »Das trifft es ziemlich genau. Jedenfalls hat die Polizei sein Auto überprüft, mit dem er übrigens einen Streifenwagen gerammt hat – vielmehr hat der Streifenwagen ihn gerammt. Es war ein Mercedes. Und zwar mein Mercedes.«
    » Dein Mercedes?«
    »Ja. Genau das Auto, das mir zwei Tage vor Bethel Newtons Vergewaltigung gestohlen wurde. Die Polizei hat also angefangen, eins und eins zusammenzuzählen. Einem der Beamten ist wohl aufgefallen, dass der verhinderte Vergewaltiger ein bisschen so aussah wie Bethel Newtons ursprüngliche Täterbeschreibung. Daraufhin wurde beschlossen, seine DNA ebenfalls zu testen. Im DNA-Labor gab es zunächst irgendeine Panne – mit dem Server, glaube ich –, aber dann wurden die Tests doch noch gemacht, und so haben sie ihn überführt.«
    »Er ist also jetzt in Haft?«
    »Soviel ich weiß, ja. Ich glaube, er liegt noch im Krankenhaus, weil er sich bei dem Unfall das Bein gebrochen hat. Aber dort wird er wohl rund um die Uhr bewacht.«
    Gene holte tief Luft. »Und du meinst, nur weil es jetzt dieser Louis Manning war, der Bethel Newton vergewaltigt hat, soll ich einfach ihm die Schuld an allem geben und vergessen, was Andi wegen dir auf sich nehmen musste – nämlich die ganze Tortur noch einmal durchzumachen?«
    »Was hätte ich denn tun sollen? Ich war mir doch gar nicht sicher, ob sie es ist. Ich wollte auf keinen Fall, dass sie mich verteidigt, und das habe ich auch deutlich zu verstehen gegeben. Den Grund dafür konnte ich natürlich nicht offen aussprechen, denn das hätte alles nur noch schlimmer gemacht – für uns beide. Aber warum hat sie nie etwas gesagt? Ich meine, sie muss doch gewusst haben, dass ich es war?«
    »Weil sie es verdrängt hat. Sie saß während des ganzen Prozesses neben dir und hatte nicht mehr die

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