Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
Vom Netzwerk:
eine begehrte Assistentenstelle bei Marshall ergattert.
    Bei der heutigen Sitzung saßen hundertfünfzig potenzielle Geschworene in zwölf Reihen hintereinander und machten einen nervösen Eindruck. Selbst für die Verhandlung eines Gewaltverbrechens war das ein außergewöhnlich großer Auswahlpool, aber die Richterin nahm Rücksicht auf die Tatsache, dass es sich um einen von der Öffentlichkeit stark beachteten Prozess handelte, bei dem ein bekannter und umstrittener Prominenter im Mittelpunkt stand. Der Pool musste also groß genug für die vielen begründeten Ablehnungen sein, die zu erwarten waren.
    Die Geschworenen waren mithilfe eines Videos über ihre Pflichten als Jurymitglieder belehrt worden und saßen jetzt, nach eineinhalb Tagen Warterei, endlich im Gerichtssaal. Sie alle fragten sich, ob man sie für den Claymore-Fall auswählen würde. Nicht jeder wünschte sich das, war doch allen klar, dass es ein langer Prozess werden würde, während zu Hause Arbeit und Familie auf einen warteten.
    Diejenigen, die sich tatsächlich wünschten, am Prozess teilzunehmen, hatten dafür unterschiedliche Gründe. Wer bei einem öffentlichkeitswirksamen Fall als Geschworener auftritt, kann heutzutage schnelles Geld damit verdienen, seine Geschichte hinterher an die Presse zu verkaufen. Andere Kandidaten waren sich sicher, dass Claymore schuldig war, und wollten »diesen Scheißkerl drankriegen«. Wieder andere hielten ihn für das Opfer einer Hexenjagd des weißen Mannes und wollten ihn aus den Fängen einer rassistischen Justiz befreien. Und dann gab es noch jene Kandidaten, die einfach nur vor ihren Freunden damit angeben wollten, dass sie beim Claymore-Prozess als Geschworene mitgewirkt hatten.
    Sarah Jensen war immer noch als ermittelnde Staatsanwältin für den Fall zuständig, hatte nun aber Verstärkung durch Nick Sinclair erhalten, einen afroamerikanischen Mittdreißiger mit kurz geschorenem Bart aus der Staatsanwaltschaft von Alameda County. Seine Berufung war natürlich kein Zufall. Der Bezirksstaatsanwalt wollte damit unterstreichen, dass es in dem Prozess um ein an einer Frau begangenes Verbrechen ging, bei dem die Rassenproblematik keine Rolle spielte.
    Am Anwaltstisch rutschte Claymore unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. Alex hingegen war ganz in seinem Element. Er beugte sich zu Andi hinüber und flüsterte ihr letzte Anweisungen zu: »Ich kenne die Richterin nicht, aber sie sieht ziemlich streng aus. Wir sollten bei der Programmierung der Software also davon ausgehen, dass sie unsere begründeten Ablehnungen von Geschworenen eher nicht durchgehen lässt.«
    Sie bedienten sich eines Computerprogramms namens JuryWizard , das bei der Einschätzung der Geschworenen half, indem es sie in die Kategorien nützlich oder hinderlich einteilte. Staatsanwaltschaft wie Verteidigung durften Geschworene ablehnen, wenn sie einen triftigen Grund vorzuweisen hatten – zum Beispiel einen vorliegenden Interessenkonflikt –, aber es oblag der Richterin, ob sie diese Gründe anerkannte. Beide Parteien durften jedoch auch bis zu zehn Geschworene ohne Begründung ablehnen.
    Der Plan sah so aus, dass Alex die Geschworenen befragte und Andi die dadurch ermittelten Informationen in das Programm eingab.
    »Irgendetwas stört mich an der Auswahlgruppe«, sagte Andi und fixierte die potenziellen Kandidaten.
    »Und was?«
    »Es sind kaum Schwarze dabei.«
    »Hab ich auch schon gesehen«, erwiderte Alex. »Aber wir waren uns doch einig, dass das nicht unbedingt von Nachteil sein muss.«
    »Stimmt, aber komisch ist es trotzdem.«
    »Wahrscheinlich liegt es daran, dass Schwarze in den Wählerlisten unterrepräsentiert sind. Viele Afroamerikaner lassen sich immer noch nicht als Wähler registrieren.«
    »Du lebst in der Vergangenheit, Alex. Wir befinden uns in der Ära Obama. Außerdem wird zur Auswahl der Geschworenen auch das Führerscheinregister hinzugezogen.«
    Alex machte eine wegwerfende Handbewegung. »Vielleicht ist es nur ein statistischer Ausreißer. Wir sollten aus einer Mücke keinen Elefanten machen. Im Moment können wir sowieso nichts dagegen tun. Wir haben wichtigere Probleme.«
    »Ist die Anklagevertretung bereit?«, fragte die Richterin.
    »Ja, Euer Ehren«, antwortete Sarah Jensen. »Ich vertrete den Bundesstaat Kalifornien. Mr Nicholas Sinclair von der Staatsanwaltschaft Alameda County wird mich unterstützen.«
    Alex stand auf. »Euer Ehren. Ich vertrete den Angeklagten als Verteidiger, unterstützt von Miss

Weitere Kostenlose Bücher